Proproteinkonvertasen (PCs) aktivieren eine Vielzahl von (patho)-physiologisch relevanten Vorläuferproteinen im sekretorischen Pfad. Zur Aufrechterhaltung des zellulären Gleichgewichts muss ihre Aktivität daher sehr genau reguliert werden.
Die vorliegende Arbeit zeigt, dass das Serpin Bl-Spn1 aus Branchiostoma lanceolatum, einem nahen Verwandten der Wirbeltiere, die PCs Furin und PC1/3 mit physiologisch relevanter Geschwindigkeit inhibiert und mit beiden Proteasen SDS-stabile Komplexe bildet. Durch massenspektrometrische Analysen wurde nachgewiesen, dass die PCs die reaktive Schleife (RSL, reactive site loop) von Bl-Spn1 C-terminal von der Sequenz Met-Met-Lys-Arg spalten, was mit der klassischen Erkennungs-/Spaltsequenz von Vertebraten-PCs übereinstimmt. Bl-Spn1 besitzt an seinem C-Terminus ein Retentionssignal (KDEL) für das Endoplasmatische Retikulum. Eine Deletion dieses Motivs bewirkt, dass der Inhibitor von transfizierten COS-7 Zellen sekretiert wird, während das Wildtyp-Protein im Zellinnern zurückgehalten wird. Somit ist Bl-Spn1 nach Dm-Spn4A aus Drosophila melanogaster erst das zweite Serpin, das aufgrund seiner inhibitorischen Eigenschaft und seiner subzellulären Lokalisation als physiologischer Inhibitor von PCs in Frage kommt. Im Gegensatz zum Drosophila-Serpin zeigt Bl-Spn1 keine inhibitorische Aktivität gegenüber PC2, weshalb das Branchiostoma-Serpin wichtige Hinweise für die Entwicklung selektiver PC-Hemmstoffe liefert.
Weiterhin wurde die cDNA-Sequenz des neuen humanen Serpins SERPINE3 isoliert, das wie Bl-Spn1 ein PC-Erkennungsmotiv im RSL besitzt und eine für inhibitorische Serpine typische Hinge-Region aufweist. SERPINE3 wurde rekombinant in Bakterien und Säugerzellen exprimiert. Es wurden funktionelle Antikörper gegen das Serpin produziert, die durch Affinitätschromatographie gereinigt wurden. Es konnte nachgewiesen werden, dass das ca. 57 kD große Protein eine extrazelluläre Lokalisation aufweist. Gewebsexpressionsanalysen implizieren, dass SERPINE3 in der extrazellulären Matrix lokalisiert ist. Weiterhin wurden mehrere HEK-293-EBNA-Zelllinien erzeugt, die kontinuierlich SERPINE3 und verschiedene Mutanten des Serpins ins Medium sezernieren. Durch Immunoaffinitätschromatographie mit Anti-SERPINE3-Antiserum gelang es, SERPINE3 spezifisch aus den Kulturüberständen der Brustkrebszelllinie MCF-7 anzureichern. Dadurch wurde erstmalig der Nachweis der endogenen Expression von SERPINE3 auf Proteinebene erbracht. Weiterhin wurden mit dieser Methode Proteine angereichert, die möglicherweise SERPINE3 in komplexierter Form repräsentieren, was darauf hindeutet, dass SERPINE3 ein inhibitorisches Serpin ist. Die Tatsache, dass eine inhibitorische Aktivität des Serpins in vitro bislang nicht demonstriert werden konnte, impliziert, dass rekombinantes SERPINE3 in einer latenten Konformation vorliegt oder für seine Aktivität die Bindung eines Kofaktors benötigt. Diese Vermutung wird durch Mutagenesestudien gestützt.