Das Rhesus-Gen RHD kodiert das sehr stark immunogene Transmembranprotein RhD, welches auf der Erythrozytenoberfläche lokalisiert ist. Mit serologischen Untersuchungsmethoden werden in der Blutgruppendiagnostik D-positive und D-negative Individuen unterschieden. Wird dem Kind einer RhD-negativen Mutter ein väterliches RHD-Allel vererbt, kann es in der Schwangerschaft zu einer Rhesus-Immuninkompatibilität zwischen Mutter und Kind kommen. Rhesus-Inkompatibilität ist die häufigste Ursache für HDN (Hemolytic Disease of the Newborn). Um Risikoschwangerschaften für HDN vor Komplikationen zu schützen, wird im Allgemeinen eine Anti-D-Prophylaxe-Behandlung bei betroffenen Frauen durchgeführt. Ist das Kind ebenfalls RhD-negativ, geschieht diese Verabreichung von Anti-D-Immunglobulinen unbegründet.
Die Analyse seltener fötaler Zellen aus dem Blutkreislauf von Schwangeren ist als nicht-invasive Untersuchungsmethode ein lang ersehntes Ziel der Pränataldiagnostik. In neuerer Zeit wurde die Entdeckung gemacht, dass die zellfreie fötale DNA im mütterlichen Blutplasma eine höhere Konzentration aufweist als die fötalen Zellen im mütterlichen Blut.
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde ein molekulargenetischer Test zur RHD-Genotypisierung entwickelt auf der Grundlage, dass der D-negative Serotyp auf die vollständige Deletion des RHD-Gens zurückzuführen ist. Die Diskriminierung der Amplifikation der stark homologen RHCE-Sequenz wurde mit Hilfe der mutagenetisch separierenden (MS-) PCR erzielt. Der RHD-Genotypisierungstest war als Echtzeit-PCR geplant, um die routinefähige Untersuchung fötaler DNA aus mütterlichem Blutplasma in der Schwangerschaft von RhD-negativen Frauen zu ermöglichen und somit eine gezielte Anti-D-Prophylaxe zu realisieren.
Es sind Variationen des RHD-Geno- und -Phänotypen in verschiedenen Bevölkerungsgruppen bekannt. Um die Zuverlässigkeit des geplanten RHD-Genotypisierungstests für die Anwendung auf die deutsche Bevölkerung zu überprüfen, wurde die DNA von 255 Blutspendern mit Hilfe der entwickelten RHD-Echtzeit-PCR untersucht. Bei 0,78 v.H. der serologisch als D-negativ eingestuften Testpersonen konnte im PCR-Versuch ein RHD-spezifisches Produkt amplifiziert werden, wobei die zwei betreffenden Personen dem seltenen Phänotyp Ccddee entsprechen. Das Risiko einer falsch RHD-positiven Diagnose konnte somit als gering eingestuft werden.
Für den geplanten fötalen RHD-Genotypisierungstest musste gewährleistet werden, dass im DNA-Präparat eine für die PCR ausreichende Menge fötalspezifischer Sequenzen vorhanden ist. Die DNA-Präparationen mittels Silikagelmembran-Säulenextraktion ist im Vergleich zur Phenol-Chloroform-Extraktion für die Aufarbeitung von Blutplasma getestet worden.
Bei der Untersuchung von Blutplasma-DNA von zehn RhD-negativen Schwangeren erreichte der RHD-Echtzeit-PCR-Test eine Sensitivität von 63 v.H. Der molekulargenetische Nachweis zellfreier fötaler DNA im mütterlichen Blutplasma konnte weder durch eine Veränderung der DNA-Präparation noch durch eine Verkürzung der RHD-PCR-Produktlänge erzielt werden. Die Ergebnisse der durchgeführten Untersuchungen weisen darauf hin, dass die fötale DNA in äußerst geringer Konzentration im mütterlichen Blutplasma und stark degradiert vorliegt.
Der Verzicht auf die Rhesus-Anti-D-Prophylaxebehandlung, zu Gunsten eines nicht-invasiven pränatalen RHD-Genotypisierungstests, muss aufgrund der erhaltenen Versuchsergebnisse zum jetzigen Zeitpunkt als medizinisch nicht vertretbar eingestuft werden.
Bei der vorgeburtlichen ärztlichen Betreuung von RhD-negativen Frauen könnte eine RHD-Zygotiebestimmung des betreffenden Vaters eine Risikoeinschätzung der Schwangerschaft für die Geburt eines Rhesus-D-positiven Fötus ermöglichen. In der vorliegenden Arbeit wurde zu diesem Zweck eine Multiplex-Echtzeit-PCR entwickelt, mit der eine relative Quantifizierung des RHD- zum RHCE-Gen möglich ist. Mit dieser Methode wurde bei 87 RhD-positiven Blutspendern eine RHD-Zygotiebestimmung vorgenommen und das Ergebnis anhand einer unabhängigen Methode auf der Grundlage der Quantitativen Fluoreszenz-PCR überprüft. Der Ergebnisvergleich beider Methoden zeigte für 84 Testpersonen eine Übereinstimmung.