Lange Zeit konzentrierten sich die Bemühungen bei LRS auf Interventionen bei Schulkindern, die bereits durch mehr oder weniger massive Lese-Rechtschreibschwierigkeiten aufgefallen waren. Seitdem mit dem Bielefelder Screening "BISC" (Jansen, Mannhaupt, Marx und Skowronek, 1999) jedoch ein diagnostisches Instrument vorliegt, mit dem Schwierigkeiten beim Schriftspracherwerb zuverlässig vorhergesagt werden können, erscheint es sinnvoller, Anstrengungen auf die Entwicklung präventiv angelegter Konzepte zu richten.
Soweit es um die mit dem BISC zu erfassende sprachliche Bewusstheit geht, liegen mit den vor allem von der Würzburger Gruppe um Wolfgang Schneider (Küspert, 1998; Roth, 1999; Schneider, Küspert, Roth, Visé & Marx, 1997) entwickelten Trainings effektive Behandlungskonzepte vor. Nähere Analysen im Rahmen der Bielefelder Längsschnittstudie sowie der Würzburger Studien verweisen allerdings auf die Existenz einer Subgruppe von Kindern, die keine Defizite in der phonologischen Bewusstheit haben. Gemeinsames Kennzeichen dieser Kinder sind Defizite in der sog. "Benenngeschwindigkeit", d.h. dem phonetischen Abruf und Rekodieren aus dem Langzeitgedächtnis (vgl. auch Wolf & Bowers, 1999, 2000).
Vor diesem Hintergrund zielt diese Arbeit auf die Entwicklung und Evaluation eines Trainingsverfahrens ab, das sich an die Gruppe der "langsamen Benenner" richtet. Bei der Entwicklung des Trainingsansatzes wurde angenommen, dass ein Übungsdefizit verantwortlich für mangelnde Benenngeschwindigkeit und die daraus resultierende Leseproblematik ist. Daraus folgend wurde ein Training entwickelt, dass das schnelle Benennen von Farben und Objekten (Benennen von schwarz-weiß Objekten, farbigen Objekten, Farbkreisen), in Anlehnung an das RAN (Denckla & Rudel, 1974) und das BISC (Jansen et al., 1999) trainiert.
In einem Prä-Post Follow-up (halbes Jahr später) Design mit einer Experimentalgruppe (N=45), die das Training absolvierte, einer Kontrollgruppe II (N=20), die ein kurzes Training in der Benenngeschwindigkeit erhielt, und einer Kontrollgruppe I (N=17) ohne Training sollte die Effektivität des Trainings überprüft werden. Der Trainingserfolg wurde mit informellen Benennungstests und dem Bielefelder Screening gemessen. Die Ergebnisse zeigen, dass die langsameren Benenner schneller werden, aber auch die Kontrollgruppen. Es werden kaum signifikante Unterschiede innerhalb der Gruppe gefunden. Gründe für das Scheitern dieser Form von Training werden erörtert und diskutiert. Neue mögliche Richtungen von vorschulischer Förderung in diesem Bereich werden dargestellt.