Die Frage nach dem Zusammenhang von einem der motivationalen Faktoren, nämlich Interesse, und dem Lernen wird in jüngster Zeit in der Pädagogischen Psychologie vermehrt aufgegriffen, mit dem Ziel, neue Erkenntnisse zu motivationalen Effekten zu gewinnen (Hidi & Anderson, 1992; Krapp & Prenzel, 1992). Im Vordergrund steht dabei die Frage, ob und in welchem Ausmaß das Interesse an einem Text einen Einfluss auf die Lernleistung hat (für eine umfassende Literaturaufarbeitung der Jahre 1951 bis 1993 vgl. Schiefele 1996; unter Einbeziehung computergestützten Lernens ab 1983: Alexander, Kulikowich & Jetton 1994). Die mangelnden Kenntnisse, wie und an welchen Stellen Motivationsvariablen in die kognitiven Vorgänge eingreifen, die den Lernprozess ausmachen, wurden auch von anderen Autoren einer Kritik unterzogen (z.B. Baumert et al., 1998; Rheinberg, 1999; Schiefele, 1996; Schiefele et al., 1992; Wild, Krapp, Lewalter & Schreyer, im Druck).
Im Zentrum des Forschungsinteresses dieser Arbeit steht die Frage nach den Effekten des motivationalen Konstruktes "Interesse" sowie von kognitiven Faktoren (z.B. Vorwissen, Lernstrategien, Lesefähigkeit) auf die Textrepräsentation und das langfristige Behalten bei Schülern.
Als Stichprobe wurden Kinder der 8., 9. und 10. Jahrgangsstufe gewählt. Es waren drei Erhebungstermine in wöchentlichem Abstand für jede der 16 Klassen (332 Vpn) vorgesehen. Die Dauer pro Sitzung betrug 60 Minuten. Die Befragung bzw. der Test erfolgte in den jeweiligen Klassen innerhalb der regulären Schulstunden, die zur Verfügung gestellt wurden. Dabei wurden Daten über Interesse, Vorwissen, Lesekompetenz, Lernstrategien, kurzes und dauerhaftes Lernen von Texten erhoben. In Anlehnung an die Theorie von W. Kintsch wurde der Lerntest (Rekognitions- und Verifikationstest) konstruiert. Neben einer interindividuellen Analyse wurde eine intraindividuelle Vorgehensweise einbezogen. Dies soll in der Weise geschehen, dass Lernleistungen eines jeden Schülers, die dieser im Zusammenhang mit einem hochinteressanten Text erreicht, verglichen werden mit seinen Lernleistungen, die durch einen wenig interessanten Text hervorgerufen werden.
Die Vermutung, dass Interesse die drei verschiedenen Repräsentationen des Lernens mit Texten nicht mit der gleichen Stärke beeinflusst, konnte bestätigt werden. In dieser Studie mit SchülerInnen hat sich nun gezeigt, dass Interesse vor allem mit der tiefsten Lernebene, nämlich der situativen Repräsentation, zusammenhängt. Dieser Befund tritt bei unterschiedlichen Texten auf, er wird durch Einbeziehung relevanter kognitiver Faktoren nicht abgeschwächt und lässt sich auch bei intraindividuellen Vergleichen nachweisen. Weiterhin zeigen die Befunde, dass Interesse zwar sowohl mit dem unmittelbaren Lernen als auch dem langfristigen Behalten signifikante Beziehungen aufweist, dass aber über alle vier Texte hinweg eine besonders deutliche Beziehung zwischen Interesse und langfristigem Behalten festgestellt werden konnte.