Immer deutlicher zeigt sich, dass technologische Weiterentwicklung und Neuerung für die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit allein nicht mehr ausreichend sind. Im Rahmen aktueller Strategien gewinnt Mitarbeiterbeteiligung in Unternehmen zunehmend an Bedeutung.
Mitarbeiterbeteiligung wird in dieser Arbeit als unmittelbare, direkte und persönliche Teilhabe von Mitarbeitern an der organisierten Erarbeitung von Problemlösungen, kreativen Ideen bis hin zu Innovationen, an Entscheidungen über Prozesse und Strukturen innerhalb der Organisation verstanden.
Analysten und Kunden fordern mit großer Selbstverständlichkeit grundlegende Reformen. Bereitwillig scheinen Großkonzerne diesen imageförderlichen Erwartungen zu entsprechen, das wird in den Selbstdarstellungen immer wieder aufgezeigt. In vielen Fällen scheint ein grundlegender Umbau erfolgt zu sein. Es zeigt sich jedoch eine Diskrepanz von öffentlichkeitswirksamer Fassade und defizitärer Verwirklichung.
In der vorliegenden Untersuchung waren folgende Fragestellungen erkenntnisleitend: Wer oder was begünstigt Mitarbeiterbeteiligung? Wer oder was hemmt Partizipation? Welche erfolgversprechenden Maßnahmen können ergriffen werden? Welche Konstellationen haben Einfluss auf den Erfolg bei der Implementierung und Durchführung von Beteiligungsmodellen? Wie wirkt Mitarbeiterbeteiligung auf die Organisationskultur? Welche Entwicklungspotentiale sind vorhanden? Welche praxisrelevante Möglichkeiten zur Bewältigung von Widerständen gibt es (ein oft beklagtes Desiderat der Forschung)?
Die empirische Untersuchung erfolgte anhand einer Fallstudie in einem beteiligungserfahrenen Unternehmen der deutschen Stahlindustrie - einer seit den siebziger Jahren krisengeschüttelten Branche.
Mit verschiedenen Strategien reagierte die deutsche Stahlindustrie auf die schweren Krisen, insbesondere auch mit massivem Kapazitäts- und Belegschaftsabbau. Mitarbeiterbeteiligung jedoch bleibt hier bis Anfang der achtziger Jahre ein wenig beachtetes Thema.
Die funktionale und tayloristische Organisationsstruktur und Arbeitsteilung, die mehr als 100 Jahre die deutsche Stahlindustrie prägte, zeigt nach wie vor ihre Wirkungen. Die industriesoziologische Forschung führt viele der aktuellen Hemmnisse im Zusammenhang mit Mitarbeiterbeteiligung auf hierarchische Strukturen und autoritäre Führung zurück. Vor diesem Hintergrund wird die Relevanz der Unternehmens- und Organisationskulturen für Veränderungen deutlich. Veränderungen jedoch bringen Widerstände hervor: Schließlich stellt Wandel bewährte Routinen, Sicherheiten, Rang und Macht in Frage, kurzum: Wandel ist zunächst eine "Zumutung" für die Betroffenen. Aspekte wie Vertrauen, Kommunikation und die Art der Zusammenarbeit der betrieblichen Akteure weisen im Zusammenhang mit umfassenden Veränderungen eine hohe Relevanz auf. Es gilt also, entsprechende auch strukturelle Voraussetzungen zu schaffen. Der Versuch, neue Formen der Arbeitsorganisation parallel zu bestehenden hierarchischen Organisationsstrukturen zu implementieren, wird in der Regel scheitern.
Am Beispiel des Unternehmens ThyssenKrupp Stahl wird Mitarbeiterbeteiligung und Unternehmensentwicklung analysiert. Unterschiedliche Beteiligungserfahrungen wurden in das gemeinsame Stahlunternehmen eingebracht; trotz der Fusionsturbulenzen wuchs die Beteiligungsquote. Dies ist um so bemerkenswerter, als in nicht wenigen Unternehmen Stillstand und z.T. sogar Rückschritte zu verzeichnen sind.
Die Analyse der Ergebnisse zur Beteiligung im untersuchten Unternehmen zeigt die zentrale Bedeutung der betrieblichen Akteure für den Verlauf und das Ergebnis von Mitarbeiterbeteiligung sowie umfassender Veränderungsprozesse unter Beteiligung der Belegschaft auf.
Ausgeprägte Technikorientierung stößt bezogen auf langfristige Beschäftigungssicherung, Erhalt und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit sowie Innovationsfähigkeit an ihre Grenzen. Mitarbeiterbeteiligung und moderne Formen der Arbeitsorganisation sowie die Schaffung und Stärkung unternehmensinterner und -externer Netzwerke weisen auch in der Stahlbranche den Weg, kundenorientiert vorhandene Anwendungsfelder des Werkstoffs Stahl zu modifizieren und neue Anwendungsfelder zu identifizieren.