Die Superfamilie der Serpine (Serinprotease-Inhibitoren) umfasst neben inhibitorischen Serpinen auch nicht-inhibitorische Proteine. Eine geeignete Serinprotease spaltet die auf der Serpin-Oberfläche exponierte, reaktive Schleife (reactive centre loop, RCL) als Pseudosubstrat und wird dadurch inhibiert. Als Antagonisten der Serinproteasen sind die Serpine an der Regulation einer Vielzahl von physiologischen Prozessen beteiligt.
In der vorliegenden Arbeit wurden phylogenetische Klassifikationen für die Serpine von Caenorhabditis elegans, Drosophila melanogaster, Arabidopsis thaliana und Ciona intestinalis erstellt, die auf mehreren unabhängigen Kriterien basieren. Neben den Aminosäuresequenzen wurden auch die chromosomalen Lokalisationen und die Genstrukturen zur phylogenetischen Klassifikation der Serpine eingesetzt. Dazu wurden die in den Datenbanken zugänglichen Informationen zu Genstrukturen, EST- und cDNA-Sequenzen ausgewertet. Es zeigte sich, dass die zur Zeit annotierten Serpin-Genmodelle teilweise fehlerhafte bzw. unvollständige Exon-Intron-Strukturen aufweisen. Die Genmodelle wurden daher mit einer AGREP-Suchstrategie identifiziert und ihre Genstrukturen überprüft und gegebenenfalls vervollständigt. Die ergänzten und korrigierten Daten wurden mit den Baumrekonstruktions-Verfahren Maximum-Likelihood, Neighbor-Joining und Maximum-Parsimony klassifiziert und die so ermittelten Stammbäume mit den Exon-Intron-Strukturen und den chromosomalen Lokalisationen der Gene verglichen. Die vergleichende Analyse der Parameter "chromosomale Lokalisationen", "Exon-Intron-Strukturen" und "Aminosäuresequenzen" führte bei den Serpin-Genen von Caenorhabditis elegans, Drosophila melanogaster und Ciona intestinalis zu einer weitgehend kongruenten, phylogenetischen Klassifikation der jeweiligen Serpine und ihrer Gene.
Die Serpin-Gen-Analysen der vier Genome gewährten interessante Einblicke in die molekulare Evolution der Serpine und ihrer Gene. Es konnten molekulare Evolutionsprozesse, wie die Entstehung von Serpin-Pseudogenen, Hotspot-Diversifikation und alternatives Spleißen beobachtet werden. Im Rahmen dieser Arbeit konnten Serpin-Gene mit multiplen RCL-kodierenden Exon-Varianten in Caenorhabditis elegans, Drosophila melanogaster und Ciona intestinalis identifiziert werden. Durch Spleißen wird eine Variante der mehrfach vorliegenden, spezifitäts-bestimmenden RCL-Exons an das gemeinsame Serpingrundgerüst angefügt. Diese Form des alternativen Spleißens stellt somit eine ökonomische Strategie zur Steigerung der funktionellen Vielfalt der Serpine dar. In der vorliegenden Arbeit wurde die Expression des Serpin-Gens Dm-Spn4 experimentell untersucht. Es gelang, insgesamt zehn unterschiedliche Dm-Spn4-Transkripte zu identifizieren, von denen acht unterschiedliche Protein-Isoformen abgeleitet werden konnten. Das alternative Spleißen und die Verwendung alternativer Transkriptionsstartpunkte bieten die Voraussetzungen zur Generierung von Protein-Isoformen mit unterschiedlicher zellulärer Lokalisation und Protease-Spezifität.