Im ersten Kapitel der Dissertation werden die beiden königlichen Institutionen, das Präsidialgericht und das Finanzbüro von Bourges, anhand ihrer Zuständigkeiten erstens in den Kontext der übrigen königlichen Verwaltungen eingeordnet und zweitens in ihrem Verhältnis zur städtischen Verwaltung bestimmt. Dieser technisch nicht anspruchslose Untersuchungsschritt, der zum ersten Mal überhaupt eine genaue Erläuterung des rechtlichen Umrisses der Ämter an diesen Institutionen und ihrer historischen Genese umfasst, stützt sich vor allem auf normative Texte. Die Darstellung bemüht sich aber gleichzeitig, über einen "klassischen" verwaltungsgeschichtlichen Ansatz hinauszukommen, indem sie die Institutionen nicht nur anhand der sie verfassenden Rechtsnormen betrachtet, sondern auch das konkrete Verwaltungshandeln einbezieht.
Das zweite Kapitel widmet sich dem direkten Verhältnis von Präsidialgericht und Finanzbüro. Vor dem Hintergrund der Ergebnisse des ersten Kapitels werden hier kultur- und sozialgeschichtliche Perspektiven verknüpft. Während die Analyse des Rangverhältnisses Fragen der öffentlichen Repräsentation über einen langen Zeitraum (16. und 17. Jahrhundert) nachgeht, die mit der symbolischen Verarbeitung der Stellung von Justiz und Finanz als Korporationen in der Stadtgesellschaft zu tun haben, konzentriert sich der Abschnitt über die Wahl von Richtern und Schatzmeistern in die Stadtregierung auf das soziale Ansehen der einzelnen Mitglieder von Präsidialgericht und Finanzbüro. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen zeigen übereinstimmend eine unterschiedlich tiefe Verwurzelung von Justiz und Finanz im Leben der Stadt.
Im dritten Kapitel stehen die mit dem Amt verbundenen Privilegien im Mittelpunkt. Aus der Sicht der Amtsträger geht es um die Frage, welche Interessen die Kandidaten mit dem Erwerb eines königlichen Amtes verfolgten. Anhand der drei großen Parameter für soziale Privilegierung (ökonomische Lage, Prestige und Status, Macht und Herrschaft) wird das Amt im Kontext anderer Rechte auf sein spezifisches Privilegienprofil untersucht, und zwar im lokalen Zusammenhang. Dabei zeigt sich, dass die Amtsträger in einem vielpoligen Beziehungsgeflecht standen, in denen ihre dienstlichen Aufgaben nicht immer die größte Rolle spielten.
Im vierten Kapitel schließlich geht es darum, die aus dem Amt erwachsende soziale Dynamik sowohl vertikal als auch horizontal zu erfassen. Die Ämter an Präsidialgericht und Finanzbüro werden zunächst als Faktoren der sozialen Mobilität untersucht, und zwar sowohl kurzfristig für den einzelnen Amtsträger (Karrieren) als auch langfristig für seine Familie (sozialer Aufstieg). Im Anschluss an diese Untersuchungen der vertikalen Dynamik geht es um die Heiratsverbindungen der Amtsträger und ihrer Kinder, anhand derer die Vernetzung der Amtsträgergruppen 1) untereinander, 2) im Rahmen der Stadt, 3) aber vor allem in der Region aufgezeigt wird. Gerade der letzte Punkt soll die Möglichkeit horizontaler Dynamik in Form von Eheschließungen außerhalb der Stadt deutlich machen.
Aus der Zusammenschau von verfassungs-, kultur- und sozialgeschichtlichen Aspekten soll eine möglichst differenzierte Sicht der königlichen Ämter aus Justiz und Finanz in Bourges entstehen, die in eine empirisch abgesicherte Beurteilung der Frage mündet, welche Rolle die "mittleren" Amtsträger bei der Entstehung des frühneuzeitlichen Staates in Frankreich gespielt haben und wie sich die von ihnen getragene Staatswerdung vor Ort ausgewirkt hat.