Die Untersuchung steht im Kontext eines Forschungsprojekts, das sich mit der Sozialgeschichte des deutschen Bürgertums befasst. Zentral ist dabei die Frage nach dem inneren Zusammenhalt und den Außengrenzen der bürgerlichen Sozialformation, die sich aus unterschiedlichen Teilgruppen (vor allem: akademische Berufe und Wirtschaftsbürger) zusammensetzte. Das Ideal der bürgerlichen "Bildung" und vor allem der Konsum ästhetischer Kulturgüter waren von essentieller Bedeutung für die kollektive Identitätsbildung dieser bürgerlichen Elite. Am Beispiel des Hamburger Bürgertums wurde diese These untersucht.
Als der Maler Johann H. W. Tischbein um 1770 Hamburg besuchte, fand er dort eine "Kunstwelt" ohne Künstler vor: die Hamburger Börse war der bedeutendste Auktionsort des deutschen Kunsthandels, zahlreiche Hamburger Kaufleute hatten in ihren Häusern private Bilderkabinette angelegt, in denen die niederländische Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts dominierte. Eine lokale Künstlerschaft konnte sich in Hamburg mangels Absatzmöglichkeiten jedoch nicht halten.
Im Laufe des 19. Jahrhunderts vollzog sich ein tiefgreifender Strukturwandel. Motor dieser Entwicklung war der Kunstverein. Vor allem durch die Veranstaltung von Kunstlotterien und öffentlichen Ausstellungen wurde er zum Vermittler zwischen zeitgenössischen Künstlern, Käufern und Publikum. Von ihm gingen Impulse für die Entstehung einer differenzierten lokalen Infrastruktur der Förderung und Vermittlung bildender Kunst aus. Auf seiner Initiative beruhen auch die Gründung einer öffentlichen Galerie (1850) und die Errichtung des öffentlichen Museums für Bildende Kunst (1869). Erst im Zuge der Fortentwicklung dieser beiden Institutionen gewinnen neben der kollektiven Kunstförderung auf der Basis des Vereins zwei weitere Faktoren zunehmend an Bedeutung: die Kommune als Träger des Museums und der professionelle Beamte als Fachmann für den Aufbau und die Verwaltung der Sammlung.
Die Arbeit beschreibt die Genese eines bürgerlichen Kunstgeschmacks, seine Wertmuster sowie seine privaten und öffentlichen Praxisformen. Insbesondere im Hinblick auf die öffentliche Galerie und das Museum lässt sich ein grundlegendes Kennzeichen der bürgerlichen Kultur verdeutlichen: das Spannungsverhältnis zwischen dem Anspruch der Verallgemeinerung von Bildung und der sozialen Distinktion durch den Konsum ästhetischer Güter.