Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist die Lebens- und Pflegesituation alter und hochaltriger Paare bei bestehender demenzieller Erkrankung. Die Arbeit ist im Kontext der Gesundheitswissenschaften und hier innerhalb der pflegerischen Versorgungsforschung angesiedelt, wobei die empirische Untersuchung methodologisch in der Tradition der Grounded Theory verankert ist. Die demographischen Prozesse in Deutschland fordern dazu auf, nicht nur die Chancen einer "Gesellschaft des langen Lebens" in den Blick zu nehmen, sondern auch die "Herausforderungen einer alternden Gesellschaft": Aufgrund der engen Konnotationen von (hohem) Alter, Demenz und Pflegebedürftigkeit ist davon auszugehen, dass die Anzahl demenziell erkrankter Personen weiterhin ansteigen wird. Ebenso führt der demographische Wandel dazu, dass die pflegenden Angehörigen älter werden, was bedeutet, dass die "pflegenden Kinder" zur Gruppe der "jungen Alten" gehören, und Menschen im (hohen) Alter die Betreuung und Pflege ihrer demenziell erkrankten Partner und Partnerinnen übernehmen. Der Forschungsstand weist auf das Phänomen hin, dass alte Menschen in großem Umfang die Betreuung und Pflege ihrer demenziell erkrankten Lebensgefährten/-innen zu Hause übernehmen, obwohl damit eine erhöhte Risikoexposition verbunden ist. Zudem erweisen sich diese Pflegearrangements als ausgesprochen stabil, obwohl die vorhandenen Leistungen und Angebote des Versorgungssystems nur bedingt dazu beitragen können, die Pflege in der privaten Häuslichkeit zu stärken, wenn das private Supportsystem nicht über ausreichende eigene Ressourcen verfügt, wovon angesichts des fortgeschrittenen oder hohen Alters der Partner/-innen in der Regel auszugehen ist. Wird im Kontext der Stressforschung die Tatsache des Dass konstatiert und aus einer psychologischen Perspektive heraus nach individuellen Motivationen und Bewältigungsstrategien gefragt, so verleitet das beschriebene Phänomen dazu, nach dem Obwohl und dem Trotzdem zu fragen. Diese Fragestellung erfordert eine theoretische Konzeptionalisierung, mit der diese - scheinbaren? - Widersprüchlichkeiten aufgegriffen werden können und mit der die Gefährdungen und die Ressourcen auf der Ebene des individuellen Handelns ebenso in den Blick genommen werden wie die auf der Ebene des Handelns als Nutzer des Versorgungssystems.
Vor diesem Hintergrund ist die Arbeit konzeptionell innerhalb der Resilienzforschung im Alter angesiedelt, die darauf fokussiert, woran es liegt, dass alte und hochaltrige Menschen trotz vielfältiger Einschränkungen ein erstaunlich hohes Maß an Wohlbefinden und Zufriedenheit aufweisen. Bezogen auf die Zielgruppe der vorliegenden Arbeit wird gefragt, welche Risiken und Gefährdungen die Paare aufgrund des Alters und der demenziellen Erkrankung erfahren und welche Schutzfaktoren sie mobilisieren, um trotzdem handlungsfähig zu bleiben und die Gestaltungskompetenz über ihr Leben zu wahren. Damit wird abweichend zur gerontologischen Resilienzforschung das Ergebnis von Resilienz nicht an die Indikatoren Wohlbefinden bzw. Zufriedenheit geknüpft. Sondern, so die Arbeitshypothese, schon der Bestand des häuslichen Pflegearrangements ist ein Ergebnis von Resilienz. Als gefährdendes Lebensereignis werden die Lebensphase "Alter" und die Lebenssituation "demenzielle Erkrankung" gesetzt und in ihrer Interdependenz betrachtet. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass sich die jeweiligen gefährdenden Faktoren nicht nur gegenseitig potenzieren, sondern auch dadurch, dass die Anforderungen, die in der Lebensphase Alter an das Resilienzvermögen gestellt werden, mit den Anforderungen der Lebenssituation Pflege nicht kongruent sind. Alte und hochaltrige Partner/-innen demenziell erkrankter Menschen befinden sich häufig in Dilemmata, in denen sie gefährdende Faktoren in Kauf nehmen müssen, um noch größere Bedrohungen zu verhindern. In dieser Gemengelange von Gefährdungen ist auch das Ergebnis von Resilienz vielschichtig angelegt. Um das privathäusliche Zusammenleben bei bestehender Demenz beibehalten zu können, werden Resilienzpotenziale im sozialen Bezugssystem, der Arbeit und der Partnerschaft wirksam. Ist dies möglich, können diese Lebensbereiche ihrerseits als protektive Faktoren genutzt werden. In diesem Prozess hat das Alter nicht nur die Bedeutung einer gefährdenden Lebensphase, sondern kann auch zum protektiven Faktor werden. Wird in diesem Prozess der Resilienz die gewünschte Stabilität der häuslichen Lebens- und Pflegesituation erreicht, so erwächst daraus Resilienzpotenzial, das die alten und hochaltrigen Paare zur Bewältigung ihrer existenziellen Bedrohungen benötigen und sie befähigt, ihr Paarversprechen einzulösen und für einen guten Abschluss ihrer Lebensgemeinschaft zu sorgen.