Im Rahmen der vorliegenden Arbeit sollte zum einen die Bedeutung der prolinreichen Region sowie die der SH2-Domäne von SLP-65 für die Signaltransduktion vom BCR (B-Zell-Antigenrezeptor) untersucht werden. Zum anderen sollte die Frage beantwortet werden, welche der SLP-65-vermittelten Signalwege in EBV-(Epstein-Barr Virus-)infizierten Zellen moduliert werden und es dem Virus ermöglichen, der Immunantwort zu entgehen.
Um die Bedeutung der prolinreichen Region in vivo untersuchen zu können, wurde zunächst die Bindung zwischen SLP-65 und Grb2, dem einzigen bisher bekannten konstitutiven Interaktionspartner, biochemisch charakterisiert. Es konnte eine bislang nur postulierte Assoziation über in vitro-Interaktionsstudien bestätigt und darüber hinaus charakterisiert werden. Zudem gelang es nachzuweisen, dass nur die C-terminale SH3-Domäne und stimulationsabhängig die SH2-Domäne von Grb2 an SLP-65 binden. Für SLP-65 wurde bei den Interaktionsstudien ein atypisches SH3-bindendes Motiv in der zentralen prolinreichen Region identifiziert. Auf der Basis dieser Daten wurde dieses Motiv inaktiviert und die Auswirkung auf die Signalleitung vom BCR in dem B-Zell-Modellsytem DT40 slp-65 -/- untersucht. Erstmals wurde für die atypische SH3-Bindestelle von SLP-65 eine regulatorische Funktion bei der Aktivierung der MAPK JNK und p38 festgestellt. Weiterhin wurde gezeigt, dass dieser inhibitorische Effekt von den MAPK über c-Fos auf den Transkriptionsaktivator AP-1 übertragen wird. Ein Reportergenassay belegte, dass sich diese regulatorische Funktion bis hin zur Aktivierung des Transkriptionsfaktor-Komplexes NFAT/AP-1 auswirkt. Dabei handelt es sich um eine zusätzliche Funktion des SH3-bindenden Motivs, da dieser Effekt nicht über die konstitutive Bindung an Grb2 vermittelt wird. Damit wurde in dieser Studie erstmals gezeigt, dass nicht nur die Phosphotyrosinmotive von SLP-65 eine aktivierende (Chiu et al., 2002), sondern dass außerdem das atypische SH3-bindende Motiv eine negative, regulatorische Funktion auf den Transkriptionsfaktor NFAT/AP-1 ausübt.
Die SH2-Domäne von SLP-65 wurde über AS-Austausche bzw. -Deletionen inaktiviert und diese Mutanten in dem DT40 slp-65 -/- -Modellsystem analysiert. Es stellte sich heraus, dass die SH2-Domäne von essenzieller Bedeutung für das BCR-initiierte Ca 2+ -Signal, aber dagegen nicht für die Phosphorylierung von SLP-65 erforderlich ist. Diese Daten belegen erstmals eine funktionelle Bedeutung der SLP-65-SH2-Domäne für die Signalleitung vom BCR.
Bisher wurden EBV-beeinflusste Veränderungen der Signaltransduktion in LCL-Linien analysiert, die den Nachteil haben, sehr unterschiedliche Phänotypen zu besitzen. Daher wurde in dieser Studie ein konditionales LCL-System angewandt und für die Analyse der Signaltransduktion von infizierten im Vergleich zu ruhenden Zellen etabliert. Die Untersuchung der Phosphotyrosinmotive von SLP-65 gelang über phosphospezifische Antikörper und Affinitätspräzipitationen mit den SH2-Domänen der Interaktionspartner von phosphoryliertem SLP-65. Die Daten wurden durch die Analyse des Aktivierungszustands von Btk abgerundet und zeigen, dass Btk nicht mehr von SLP-65 rekrutiert werden kann, da der entsprechende Tyr-Rest in EBV-infizierten Zellen nicht phosphoryliert wird. Das führt dazu, dass Btk nicht aktiviert wird und dadurch auch die Aktivierung von PLC-[gamma]2 inhibiert ist. Demnach konnte der molekulare Mechanismus identifiziert werden, in welcher Form EBV die Phosphorylierung von SLP-65 moduliert, um die Formation des Calcium-Initiationskomplexes zu inhibieren.