Der einzellige begeißelte Protist Euglena gracilis synthetisiert das lineare, wasserunlösliche, kristalline beta-1,3-Glucan Paramylon. Das Reservekohlenhydrat wird in Form von membranumschlossenen, hochgeordneten Granula im Cytoplasma der Zellen gespeichert und sowohl von den phototrophen als auch von den meisten heterotrophen Spezies des Taxons Euglenida gebildet. Außerhalb der Euglenida ist das Vorkommen von reinem beta-1,3-Glucan in granulärer Form mit der Funktion einer Energie- und Kohlenstoff-Reserve nicht weit verbreitet: Sowohl die Callose, eine Zellwandkomponente der Höheren Pflanzen, das "Yeast-Glucan" aus Hefe-Zellwänden, das bakterielle Exopolysaccharid Curdlan als auch die in flüssiger Form in Vakuolen gespeicherten Reservekohlenhydrate der Heterokontophyta (Chrysolaminarin und Laminarin) bestehen aus beta-1,6-glycosidisch verzweigten beta-1,3-Glucanen. Während es für die Callose- und die Curdlan-Synthase bereits Sequenzinformationen gibt, liegen für die beta-1,3-Glucan-Synthasen aus Algen und auch für das Enzym aus Euglena gracilis bisher keine molekularen und nur wenige biochemische Untersuchungen vor.
Die Paramylon-Synthase (UDP-Glucose:1,3-beta-D-Glucan 3-beta-D-Glucosyltransferase, EC 2.4.1.34) ist Bestandteil eines in der Granula-Membran lokalisierten Multienzym-Komplexes mit einem nativen Molekulargewicht von 669 kDa. Die solubilisierten und isolierten Komplexe synthetisieren in vitro aus UDP-Glucose ein unverzweigtes beta-1,3-Glucan.
In dieser Arbeit konnte die substratbindende Untereinheit des Paramylon-Synthase-Komplexes mit einer molekularen Masse von 54 kDa durch Photoaffinitäts-Markierung mit [alpha-32P]-UDP-Glucose identifiziert werden. Das isolierte Protein wurde massenspektrometrisch analysiert und sequenziert. Über das Screening von cDNA-Phagen-Banken von Euglena gracilis sowie RT-PCR und PCR-Analysen konnte die für die Paramylon-Synthase kodierende cDNA-Sequenz und anschließend die vollständige DNA-Sequenz für Euglena gracilis, sowie DNA-Teilsequenzen zweier weiterer Spezies der Gattung Euglena erhalten werden.
Das Paramylon-Synthase-Gen egpas kodiert mit seinen 1464 Nukleotiden für ein 487 Aminosäuren großes Protein (EgPaS) mit einer molekularen Masse von 54 kDa, besitzt eine 26 Nukleotide umfassende "spliced leader"-RNA sowie eine mindestens 89 Nukleotide umfassende 3'-UTR (untranslated region). Auf DNA-Ebene konnten vier Introns mit 43, 47, 48 und 153 Nukleotiden identifiziert werden. Die abgeleitete Proteinsequenz wurde als Typ II-Membranprotein klassifiziert und weist einen cytoplasmatischen N-Terminus, eine Transmembran-Helix und eine große, nicht-cytoplasmatisch lokalisierte C-terminale Domäne inklusive eines für Glycosyltransferasen der Superfamilie GT-A typischen DXD-Motives auf.
Damit ist die substratbindende Untereinheit des Paramylon-Synthase-Komplexes aus Euglena gracilis eindeutig als zur GT-A-Superfamilie gehörende Glucosyltransferase identifiziert und weist interessanterweise eine grundsätzlich andere Domänenstruktur auf als die bisher bekannten beta-Glucan-Synthasen aus Höheren Pflanzen, Pilzen und Bakterien. Die in dieser Arbeit erzielten Ergebnisse zur Paramylon-Synthase werden in einem Modell veranschaulicht, in dem EgPaS als integrales Membranprotein Bestandteil eines Multi-Protein-Komplexes in der Paramylon-Granula-Membran ist. Als Hypothese für den Ursprung von EgPaS wird ein horizontaler Gentransfer aus einem beta-1,3-Glucan-synthetisierenden vorübergehenden Endocytobionten postuliert.