Den Forschungsgegenstand der Arbeit bildet die Problematik der Interkulturellen Kommunikation von Jugendlichen unterschiedlicher ethnisch-kultureller Herkunft in den Unterrichtspausen am Fallbeispiel des Oberstufen-Kollegs der Universität Bielefeld des Landes Nordrhein-Westfalen.
Die zentrale Ausgangsfrage ist: Wie gestalten sich interkulturelle Interaktionen zwischen Jugendlichen in den Unterrichtspausen am Oberstufen-Kolleg und insbesondere im "Internationalen Literaturcafé" und welche Faktoren und Motive beeinflussen aus der Sicht der Jugendlichen die Interkulturelle Kommunikation? Ziel der Untersuchung ist, die Hintergründe von Problempotentialen Interkultureller Kommunikation im Schulleben und vor dem Hintergrund von Migration und Integration anhand von exemplarischen Fallbeispielen aufzuzeigen.
Die Untersuchung ist qualitativ angelegt und versucht dieser Frage anhand der Feldbeobachtung und der biographischen Interviews mit 27 KollegiatInnen unterschiedlicher ethnisch-kultureller Herkunft sowie einer schriftlichen Befragung nachzugehen.
Hierbei wurde eine interdisziplinäre Herangehensweise gewählt. Die Auswertung erfolgt schwerpunktmäßig vor dem Hintergrund der Migrationsprozesse und der Integrationsproblematik in der Bundesrepublik Deutschland.
Die Erforschung der "Interkulturellen Kommunikation" in dieser Arbeit geht von einem Kulturkonzept aus, das die strukturellen sozio-ökonomischen und politischen Ungleichheiten im Einwanderungsland und die daraus folgenden Macht- und Kommunikationsasymmetrien berücksichtigt und Kultur als Symbol- und Orientierungssystem begreift, das nicht statisch, sondern prozesshaft und veränderbar, nicht eindeutig, sondern mehrdeutig und widersprüchlich ist und oft differenziert erscheint, je nach sozialer Klasse oder Gruppe, Geschlecht oder ethnischer Zugehörigkeit.
"Interkulturelle Kommunikation" wurde im Kontext dieser Untersuchung nicht als Kommunikation zwischen "VertreterInnen" unterschiedlicher "Kulturen" verstanden, sondern als Kommunikation und Interaktion zwischen Subjekten bzw. Gruppen oder "Kommunikationsgemeinschaften", die in der kulturell vielfältigen bundesrepublikanischen Einwanderungsgesellschaft leben, sich alle auf Deutsch verständigen können und durch vielfältige Faktoren im Migrationskontext bzw. in der Einwanderungsgesellschaft geprägt sind und komplexe Mehrfachzugehörigkeiten aufweisen.
Kommunikation und Interaktion wurden hierbei in Anlehnung an Watzlawick/Beavin/Jackson (1969) breit definiert. Kommunikation und Interaktion finden im Sinne dieser Definition also auch dann statt, wenn sich Personen oder Gruppen nicht aktiv an einem kommunikativen oder interaktiven Akt beteiligen, jedoch im Kommunikationsraum/Interaktionsraum Schule anwesend sind, ihre Wahrnehmungen und Interpretationen über sich selbst und andere machen und in jeder Art des Verhaltens und Handelns miteinander kommunizieren.
Zunächst erfolgt die Beschreibung und Analyse von Interaktionen im "Internationalen Literaturcafé" anhand des Beobachtungsmaterials. Danach findet die Vorstellung der biographischen Portraits der Jugendlichen statt, die anhand des Interviewmaterials, der Auskünfte aus einem Fragebogen und der Feldbeobachtung nach thematischen Gesichtspunkten zusammengefasst wurden. Sie geben einen ganzheitlichen Einblick in die Fallbeispiele der befragten Personen. Weiterhin erfolgt die Untersuchung und Analyse der subjektiven Wahrnehmungen, Deutungen und Erfahrungen der befragten Jugendlichen in multikulturellen Kontaktsituationen im Hinblick auf vier ausgewählte Teilaspekte Interkultureller Kommunikation: Sprachverhalten, Freundschaften, soziale Gruppenbildung und Ethnizität.
Die Fallbeispiele werden jeweils unter dem Gesichtspunkt des spezifischen Teilaspektes in einer Querschnittsanalyse verglichen, und es werden Wahrnehmungs- bzw. Deutungs-, Verhaltens- und Handlungsmuster aufgeschlüsselt und theorie- und konzeptgeleitet interpretiert. Die Muster der Jugendlichen mit Migrationshintergrund und der deutschen Jugendlichen werden teilweise getrennt der Analyse unterzogen; anschließend werden beide Gruppen miteinander kontrastiert, um der subjektiven Sicht der Jugendlichen für Problempotenziale, aber auch Chancen in interkulturellen Interaktionen zwischen den beiden Gruppen näher zu kommen und auf mögliche Auswirkungen der Faktoren und Motive auf die Intra- und Interkulturelle Kommunikation aufmerksam zu machen.
Im Abschluss der vorliegenden Arbeit werden die zentralen Ergebnisse der Untersuchung zusammengefasst und auf Grund der gewonnenen Erkenntnisse einige pädagogische Überlegungen für eine gelungenere und auf Verständigung zielende Interkulturelle Kommunikation im multikulturellen Schulalltag formuliert. Weiterhin werden einige Empfehlungen zu neuen Integrationskonzepten als Basis für auf Verständigung zielende Interkulturelle Kommunikation in der ethnisch-kulturell vielfältigen Einwanderungsgesellschaft entwickelt.