Das gezielte Ausschalten von Genen durch homologe Rekombination (gene targeting) in embryonalen Stammzellen (ES-Zellen) der Maus hat sich in den letzten Jahren schnell entwickelt und eignet sich zur Funktionsanalyse von Genen im Organismus, sowie zur Analyse von größeren Genomabschnitten im Rahmen von Positionsklonierungs- und Genom-Projekten. Im Laufe dieser Arbeit wurde eine weiterentwickelte Form des gene targeting, die Cre/loxP vermittelte Rekombination, eingesetzt, um große, sequenzspezifische Deletionen in das Chromosom 11 der Maus einzufügen. Grundlegend für das Cre/loxP-System ist eine gut charakterisierte Region im Mausgenom, in der zwei Deletionsendpunkte festgelegt werden können. In diese Deletionsendpunkte werden zwei loxP-Elemente integriert, die spezifisch von dem Cre-Enzym erkannt werden. Der genomische Bereich zwischen den beiden loxP-Elementen wird durch die Cre-Rekombinasereaktion deletiert.
Für das Einbringen der loxP-Elemente in das Mausgenom müssen zwei Targetingvektoren konstruiert werden, die aus dem loxP-Element, einer Resistenzkassette und genomischer, zum Ziellokus homologer, DNA bestehen. Die homologe genomische DNA sollte isogen zu der ES-Zell-DNA sein. Aus diesem Grund wurde in der bereits gut durch YACs charakterisierten wobbler Region auf Maus Chromosom 11 ein BAC-Contig erstellt. Nach einer BAC-Screening-, -Kartierungs- und -Orientierungsphase konnte mit der Deletionsvektorkonstruktion begonnen werden. Es wurden insgesamt sechs Targetingvektoren hergestellt, die zur Generierung von Deletionen in der wobbler kritischen Region eingesetzt werden können. Zwei dieser Targetingvektoren wurden in aufeinanderfolgenden Elektroporationen in das ES-Zellgenom gebracht. Es existieren fünf ES-Zellklone, die zwei korrekt in das Genom integrierte Targetingvektoren tragen. Durch eine transiente Cre-Expression kann der Bereich zwischen den integrierten loxP-Elementen in den ES-Zellen deletiert werden. Die ES-Zellen werden anschließend für eine Blastozysteninjektion oder Morulaaggregation verwendet, um chimäre Mäuse zu generieren.
In dieser Arbeit wurde ebenfalls ein "alternatives" Konzept zur Herstellung von Deletionen im wobbler kritischen Bereich verfolgt. Durch die Integration eines negativen Selektionsmarkers (das Thymidin Kinase Gen = TK Gen) und einer anschließenden Bestrahlung der ES-Zellen mit [gamma]-Strahlen kann spezifisch auf den Verlust des TK Gens selektiert werden. Durch die Bestrahlung verlieren die ES-Zellen flankierend zu dem TK Gen auch genomische Bereiche. So entsteht eine ganze Reihe von unterschiedlichen Deletionen innerhalb der ausgewählten Region. Diese Strategie wurde für die wobbler Region angewandt. Es konnten elf Klone ermittelt werden, die durch die Bestrahlungsreaktion das TK Gen verloren haben. Diese Klone werden zurzeit charakterisiert, um die Größe der erzeugten Deletionen festzustellen. Anschließend werden auch diese Klone in Blastozysten injiziert oder mit Embryonen im Morulastadium aggregiert. Die aus beiden Methoden resultierenden Deletionsmäuse werden in verschiedenen Kombinationen verpaart, mit dem Ziel, die wobbler kritische Region zu verkleinern und um die in dem Deletionsintervall liegenden Gene zu charakterisieren.