Depressionen zählen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Für die klinische, psychiatrische Diagnose einer depressiven Episode (nach ICD 10) bzw. einer Major Depression Episode (nach DSM-IV) müssen bestimmte Kriterien bzw. Symptome vorliegen, die die Diagnosestellung ermöglichen. Für die Diagnose einer Depression existieren zahlreiche Verfahren, die in Form von Interviews, als Fragebögen, als Selbst- oder Fremdbeurteilung vorliegen. Hier wurde das Strukturierte Klinische Interview für DSM-IV (SKID I) verwendet. Für die Erfassung der subjektiven Schwere der Erkrankung kam das Beck Depressions Inventar (BDI) zum Einsatz.
Ausgehend von den bisherigen Forschungsergebnissen soll in der vorliegenden Arbeit die Frage nach den kognitiven Beeinträchtigungen depressiver Patienten zum Zeitpunkt der Depression und nach Abklingen der Depression an einer relativ jungen Stichprobe (Alter von 18 - 50 Jahren) weitergehend geklärt werden. Dabei soll insbesondere der Frage nach dem Zusammenhang zwischen den subjektiv berichteten Konzentrations- und Gedächtnisdefiziten und den durch neuropsychologische Testverfahren gemessenen Beeinträchtigungen nachgegangen werden.
In der Studie wurden 31 Patienten einer psychiatrischen Station und einer Tagesklinik sowie 17 gesunde Kontrollpersonen untersucht. Die Patienten wurden hinsichtlich der psychopathologischen Symptomatik und der kognitiven Leistungen mit einer umfangreichen Testbatterie zu zwei Zeitpunkten (in der depressiven Phase und nach Remission der Depression) untersucht. Für den zweiten Zeitpunkt wurden 15 der Kontrollpersonen und 15 der Patienten untersucht. Die Voraussetzung für die Teilnahme an der Studie war die Erfüllung der Kriterien einer Major Depression oder bipolaren Depression mit aktueller depressiver Episode nach DSM IV und ein klinisch relevanter Depressionsscore im Beck-Depressions-Inventar (BDI).
Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit sprechen für eher geringe testpsychologisch objektivierbare kognitive Beeinträchtigungen in der hier untersuchten Stichprobe jüngerer, gering komorbider depressiver Patienten. Bereits für den ersten Untersuchungszeitpunkt (in der depressiven Phase) fanden sich nur in wenigen neuropsychologischen Funktionen signifikant schlechtere Leistungen der Patienten im Vergleich zu den gesunden alters- und bildungsgleichen Kontrollpersonen, die sich zum zweiten Untersuchungszeitpunkt (nach Remission der Depression) nicht mehr nachweisen ließen. Auch in der normwertbezogenen Auswertung der neuropsychologischen Patientendaten fanden sich keine Ergebnisse, die als Beeinträchtigung im klinischen Sinn interpretiert werden können. Anders ist das Bild allerdings in Bezug auf die subjektive Einschätzung der Aufmerksamkeits- und Gedächtnisleistungen. Hier fanden sich erhebliche Unterschiede zwischen den Untersuchungsgruppen, insofern dass die Patienten sich deutlich schlechter einschätzten als die Kontrollpersonen. Eine vollständige "Remission" trat für die subjektiven Einschätzungen der kognitiven Leistungen auch nach Besserung der Depression nicht ein.