Aktin-bindende Proteine übernehmen zentrale Aufgaben sowohl für die Ausbildung der Struktur und für die Dynamik des Actincytoskeletts als auch in hochgeordneten Muskelsarkomeren. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden zwei Isoformen aus der Familie der Gelsoline hinsichtlich dieser Funktion und deren Lokalisation in Crustaceenmuskeln untersucht.
Bei Proteinen aus der Gelsolinfamilie handelt es sich um multifunktionale Proteine, die sowohl für Vertebraten als auch für Invertebraten beschrieben sind. Die modular aufgebauten Proteine lassen sich aufgrund ihrer Anzahl an repetetiven Segmenten und der Molekularmasse in 40 & 80kDa Modulatoren einteilen. Die Verteilung der Modulatorklassen innerhalb verschiedener Taxa legt eine evolutionäre Entwicklung durch mehrfache Genduplikation nahe.
Durch die SDS-PAGE wurden zwei Gelsolinisoformen mit unterschiedlichen apparenten Molekularmassen von 113kDa (HG1) und 116kDa (HG2) identifiziert, die in distinkten Anteilen in verschiedenen Muskelfasertypen des amerikanischen Hummers exprimiert werden. Die Identifikation zeigt die Expression von vorzugsweise einer Isoform in schnellkontrahierenden Muskelfasertypen, die der anderen in langsamen-tonischen Muskelfasern. Es wurde ein Aufreinigungsschema entwickelt und die Interaktion der beiden Isoformen mit Aktin eingehend charakterisiert. Die Hummergelsoline besitzen typische Gelsolineigenschaften: Beschleunigung der Nukleation durch Ausbildung von Nukleationskeimen, Fragmentation von Actinfilamenten und die Ausbildung einer Kappe am Plusende von Actinfilamenten.
Die Calciumabhängigkeit wurde im Bezug auf die jeweilige Aktivität der Isoformen untersucht. Dabei zeigten sich Unterschiede, die im Kontext mit Untersuchungen zur Actomyosin-ATPase Aktivität auch Unterschiede in der Calciumsensitivität der verschiedenen Muskelfasertypen nahelegen.
Die Kolokalisation von Gelsolin und Actin ist umstritten. Lichtmikroskopische Befunde zeigten bis dato sowohl eine diffuse, cytoplasmatische Verteilung von Gelsolin als auch eine Lokalisation von Gelsolin innerhalb der I-Z-I-Bereiche von Myofibrillen in Skelettmuskeln. Die Studien wurden in der vorliegenden Arbeit erstmalig auf ultrastruktureller Ebene durchgeführt und auf verschiedene Muskelfasertypen ausgeweitet.
Unter physiologischen Bedingungen konnte eine Colokalisation von Gelsolin mit den dünnen Filamenten sowohl in langsamen als auch in schnellen Muskeln durch immunelektronenmikroskopische Verfahren eindeutig nachgewiesen werden. Dabei wurde ermittelt, das ~90 Prozent des zellulären Gelsolins vollständig entlang der dünnen Filamente lokalisiert ist. Aus den Untersuchungen zeigte sich ebenfalls, das es sich bei den beiden identifizierten Isoformen um intrazelluläre Varianten handelt, die sich bezüglich der Lokalisation nicht unterscheiden.
Aus ultrastrukturellen Lokalisationsstudien unter modifizierten physiologischen Bedingungen ging hervor, dass die Interaktion von Gelsolin mit den dünnen Filamenten in calciumabhängiger Weise reversibel ist. Immunmarkierungen an isolierten Myofibrillen verschiedener Muskelfasertypen zeigen ein Anteil von ~20 Prozent des myofibrillären Gelsolins, der bei niedriger Calciumkonzentration gebunden bleibt.
Die Existenz von Gelsolin wurden ebenfalls in ungeschlüpften Zoea-Larven des Hummers nachgewiesen. Ultrastrukturelle Immunlokalisationen an verschiedenen Muskeln der Larven zeigen unter physiologischen Bedingungen eine Kolokalisation der Gelsoline mit den dünnen Filamenten.
Das existierende Modell der Gelsolin-Actin Interaktion wird mit den vorliegenden Bindungs- und Lokalisationsstudien erweitert. Die Befunde legen nahe, dass Gelsolin in Invertebratenmuskeln eine wesentliche Rolle beim Turnoverprozess von Actin übernimmt und damit zur Aufrechterhaltung der Kontraktilität beiträgt.