Der Zölibat, die Enthaltsamkeitspflicht römisch-katholischer Priester, theologisch / biblisch nicht eindeutig begründet, erscheint aus psychologischer Sicht frag-würdig. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Bedingungen und Faktoren, die die (Nicht-)Einhaltung des Zölibats erleichtern oder erschweren. Zu diesem Zweck wurde der Zölibat auf der Basis ausgewählter, in Lehre und Forschung bewährter sozialpsychologischer und psychoanalytischer Ansätze detailliert reflektiert.
Da Vorgespräche mit Klerikern ergeben hatten, dass zahlreiche Verstöße gegen das Enthaltsamkeitsgebot sowie gegen andere kirchliche und auch staatliche Gesetze (zum Beispiel bezüglich sexuellen Missbrauchs) von Kirchenoberen stillschweigend gebilligt wurden und Veröffentlichungen verhindert werden sollten, war eine Untersuchung von amtierenden Priestern nicht möglich. Stattdessen wurden 41 suspendierte Priester befragt, die sich zu einer Partnerschaft bekannt hatten, weswegen sie ihr Amt aufgeben mussten. Deren private und öffentliche Selbstaufmerksamkeit wurde mit Hilfe des "SAM" gemessen, da sich im Rahmen der theoretischen Erörterungen die Selbstaufmerksamkeit als bedeutende Variable im Umgang mit dem Zölibat herauskristallisiert hatte.
Die Untersuchungsergebnisse lassen vermuten, dass sich diese suspendierten Priester in ihrer Selbstaufmerksamkeit von amtierenden, die vielfach heimlich den Zölibat umgehen, insofern unterscheiden, als sich die noch im Amt befindlichen stärker auf ihre Außenwirkung konzentrieren, während sich die suspendierten vornehmlich an ihren Emotionen orientieren.
Als Ausblick sei empfohlen, Attributionsprozesse und Abwehrmechanismen, die das Festhalten am Zölibat seitens der katholischen Kirche begünstigen, zu untersuchen.