Die vorliegende Arbeit untersucht anhand einer Literaturstudie die Effektivität von individualprophylaktischen Maßnahmen zur Verbesserung der Mundgesundheit von Kindern und Jugendlichen. Dabei werden zwei in Deutschland existierende Programme, und zwar die zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchungen und das gesetzliche Individualprophylaxe-(IP-)Programm für 6 - 18jährige, evaluiert. Weiterhin wird auf das gesundheitliche und soziale Problem der Kariespolarisierung eingegangen. Es werden Lösungsvorschläge erarbeitet, wie die Mundgesundheit von Kindern und Jugendlichen bevölkerungsweit weiter verbessert und die Kariespolarisierung abgeschwächt werden kann. Das Konzept der Individualprophylaxe wird hinsichtlich Breitenwirksamkeit, Effektivität und Effizienz mit anderen zahnmedizinischen Präventionskonzepten verglichen.
Die zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchungen geben die Möglichkeit einer individuellen lückenlosen präventiven Betreuung und schließen die Prophylaxelücke zwischen den kinderärztlichen Früherkennungsuntersuchungen und dem IP-Programm für die Kinder, die gruppenprophylaktisch nicht erreicht werden. Besonders kariespräventiv ist die frühzeitige Möglichkeit der Fluoridlackanwendung einzuschätzen. Die Ernährungs- und Mundhygieneberatung ist für die Eltern interessant, von ihrer Effektivität jedoch als fraglich einzustufen. Gänzlich uneffektiv dürfte die dritte Früherkennungsuntersuchung für Kariesrisikokinder sein, da diese eher ein symptomorientiertes als ein präventionsorientiertes Inanspruchnahmeverhalten aufweisen.
Auch beim Individualprophylaxeprogramm muss eine Beeinflussung des Ernährungs- und Mundhygieneverhaltens bei Kindern und Jugendlichen als fraglich eingestuft werden. Die Gründe liegen u.a. an den komplexen Faktoren, die das Ernährungsverhalten bestimmen, und dem gegenwartsorientierten Verhalten der Kinder und Jugendlichen.
Die Fluoridierung kann als effektivste Maßnahme zur Kariesverhinderung eingeschätzt werden. Für den häuslichen Gebrauch empfiehlt sich die Anwendung von fluoridiertem und jodiertem Haushaltssalz sowie fluoridhaltiger Zahnpasta. Bei Kariesrisikokindern ist ab dem 6. Lebensjahr eine zusätzliche wöchentliche Anwendung von Fluoridgelee sinnvoll. Für den professionellen Bereich ist die risikoorientierte lokale Gabe von Fluoridlacken empfehlenswert. Bei einer basisprophylaktischen Betreuung ist eine halbjährliche, bei einer Intensivbetreuung eine vierteljährliche Fluoridlackanwendung sinnvoll.
Als eine weitere kariespräventive Maßnahme innerhalb der Individualprophylaxe kann die Fissurenversiegelung der bleibenden Molaren angesehen werden. Eine Fissurenversiegelung ist sinnvoll bei Verfärbungen der Fissur bis 4 Jahre nach dem Zahndurchbruch und mittlerem Kariesrisiko. Bei geringerem Risiko reicht eine halbjährliche Fluoridlackanwendung, bei höherem Risiko und mangelnder Compliance ist eine Versiegelung kontraindiziert.
Der Einfluss von Maßnahmen des IP-Programmes zur Verbesserung der Mundgesundheit bei 6 - 12jährigen Kindern in Deutschland kann auf ca. 5 - 6 v.H. eingeschätzt werden. Davon ausgehend sollten die Möglichkeiten der Individualprophylaxe zur breitenwirksamen Verbesserung der Mundgesundheit in diesen Altersgruppen nicht überschätzt werden. Die Schwerpunkte dieser Präventionsform liegen in der Karies- und Gingivitisprophylaxe bei Kindern und Jugendlichen der sozialen Mittel- und Oberschicht, bei der präventiven Erwachsenenbetreuung und der Parodontalvor- und -nachsorge. Eine Abschwächung der Kariespolarisierung ist mit diesem Programm nicht möglich. Dazu ist der Ausbau kollektiver und semikollektiver Präventionsmaßnahmen notwendig sowie die flächendeckende Umsetzung einer aufsuchenden gruppenprophylaktischen Betreuung.