In der vorliegenden Arbeit wird eine Komponente des emotionalen Reaktionssyndroms Überraschung, nämlich die Unterbrechungsfunktion, theoretisch und empirisch untersucht. Als Unterbrechungsfunktion wird die Eigenschaft von Überraschung bezeichnet, Denkvorgänge und äußere Handlungen zu unterbrechen. Die zwei hauptsächlichen Säulen der theoretischen Analyse sind dabei das kognitiv-evolutionäre Modell der Überraschung sowie das kognitionspsychologische Konzept der Automatizität.
Zunächst wird die Unterbrechungsfunktion aus Sicht des kognitiv-evolutionären Modells der Überraschung dargestellt. Die Unterbrechungsfunktion wird hier als Baustein eines phylogenetisch alten Mechanismus angesehen, der durch schemadiskrepante Ereignisse ausgelöst wird und eine Analyse und Bewertung des Ereignisses bewirkt. Anschließend wird die Frage erörtert, inwieweit die Emotion Überraschung solche Merkmale von Automatizität wie Unwillkürlichkeit, Autonomie, Interferenzfreiheit und Unbewusstheit aufweist. Es wird die Hypothese aufgestellt, dass die Unterbrechungsfunktion automatisch im Sinne dieser Merkmale ist.
Der empirische Teil der Arbeit umfasst fünf Experimente, die sich grob zwei Blöcken zuordnen lassen. Er beginnt mit drei Experimenten, die empirische Belege der Existenz der Unterbrechungsfunktion erbringen sollen. Hierbei wird erstmals ein neues experimentelles Paradigma eingesetzt, in dem als Antwort auf entsprechende visuelle Signale ein schnelles, beidhändiges Tapping auf der Computertastatur ausgeführt oder beendet wird. Dieses Tapping stellt die Kriteriumsaufgabe dar, deren Ausführung durch einen überraschenden Reiz unterbrochen werden soll. Der zweite Block umfasst zwei Experimente, mit denen die Hypothese untersucht wurde, dass die Unterbrechungsfunktion interferenzfrei abläuft, während die Ausführung einer willentlichen Antwort auf ein Stoppsignal durch eine zusätzliche Aufgabe beeinträchtigt wird. Die zusätzliche Aufgabe war die verbale Bekanntgabe eines Urteils, ob eine auditiv dargebotene Zahl gerade oder ungerade war. Die Stärke der Interferenz wurde durch das zeitliche Intervall zwischen der Ziffer und dem visuellen Stoppreiz (Stoppsignal oder überraschender Reiz) variiert (Effekt der Psychologischen Refraktärperiode). In Übereinstimmung mit der Automatizitätshypothese war die Unterbrechungsfunktion interferenzfrei, nicht jedoch die willentliche Antwort auf das Stoppsignal.
Die Ergebnisse der Experimente werden dahingehend interpretiert, dass ein Beleg der Unterbrechungsfunktion gelungen ist und dass die Unterbrechungsfunktion darüber hinaus ein wichtiges Merkmal automatischer Prozesse aufweist, nämlich das der Interferenzlosigkeit. Abschließend wird auf offene Forschungsfragen hingewiesen und ein Ausblick auf eine mögliche Fortführung einer Untersuchung der Automatizität von Emotionskomponenten gegeben.