Im Mittelpunkt schulischer Präventionsarbeit stehen heute die persönlichkeits- bzw. lebenskompetenzfördernden Maßnahmen. Das Lebenskompetenzförderkonzept beruht auf der Annahme, dass die Prävention von gesundheitsriskanten Verhaltensweisen nur dann erfolgreich sein kann, wenn grundlegende personale und soziale Kompetenzen von Kindern und Jugendlichen gefördert werden, so dass sie die Fähigkeit erwerben, Verhaltensalternativen zum Konsum psychoaktiver Substanzen zu wählen. Das Lions-Quest Programm "Erwachsen werden" zählt zu den Lebenskompetenzförderprogrammen. Es wird seit Mitte der neunziger Jahre in Deutschland an weiterführenden Schulen eingesetzt. Die vorliegende Arbeit überprüft dieses Programm erstmalig auf seine Eignung für die schulische Prävention, wobei die Schwerpunkte auf der Implementierung des Programms, der Akzeptanz und seiner Wirksamkeit liegen. Hierfür sind Lehrer-, Schulleiter- und Schülerbefragungen durchgeführt worden, deren Ergebnisse letztendlich auf eine Optimierung des Programms abzielen.
Die Ergebnisse der Lehrer- und Schulleiterbefragung zeigen, dass die didaktische Konzeption sowie die Methodenvielfalt der Unterrichtsmaterialien positiv bewertet werden und die Integration der Unterrichtseinheiten in den regulären Unterricht gut bewerkstelligt werden kann. Das Programm berücksichtigt nach Aussagen der Lehrer die Lebenswelt der Jugendlichen und stellt für die unterschiedlichen Klassenstufen adäquate Unterrichtseinheiten bereit. Darüber hinaus setzt ein Großteil der Lehrkräfte das Programm langfristig und kontinuierlich ein. Dies geht häufig mit der Implementierung einer festen "Erwachsen werden" Stunde in den Stundenplan einher. Zusammen mit der Lehrerschulung über Einführungs- und Aufbauseminare und der Integration der Eltern in das Unterrichtsgeschehen erfüllt "Erwachsen werden" eine Vielzahl von Kriterien, die nach internationaler Erfahrung den Erfolg präventiver Maßnahmen sicherstellen.
Im schulformspezifischen Vergleich lassen sich jedoch wesentliche Unterschiede in der Bewertung der Unterrichts- und Programmmaterialien, in der Einsatzart und -häufigkeit sowie in der Beurteilung der Programmwirksamkeit seitens der Lehrkräfte nachweisen. Hieraus kann abgeleitet werden, dass sich das Programm eher für den Einsatz an Gymnasien und Realschulen und mit Abstrichen auch für Gesamtschulen, aber weit weniger für den Einsatz an Hauptschulen eignet.
Weiterhin wird deutlich, dass das Programm insgesamt im Urteil der mit ihm arbeitenden Lehrer positiv bewertet wird. Es wird in einem hohen Maße akzeptiert und hat, nach Einschätzung der Lehrer, vielfältige Wirkungen auf die eigene Unterrichtspraxis, die Zusammenarbeit zwischen den Kollegen und zwischen Lehrern und Eltern sowie auf das Klassenklima. Ferner werden nach Aussagen der Lehrer unterschiedliche Fähigkeiten und Kompetenzen der Schüler durch das Programm gefördert. Die Schülerbefragungen bestätigen ebenfalls die präventive Wirksamkeit des Programms. Die Ergebnisse zeigen, dass "Erwachsen werden" zu einer Verbesserung des Selbstwertgefühls beiträgt und die soziale Kompetenz der Schüler fördern kann. Ferner konnten Selbsteinschätzungen bezüglich des Substanzkonsums verändert und eine zeitliche Verzögerung des Eintritts in den Zigarettenkonsum bei Fünftklässlern erreicht werden. Deutlich wurde aber auch, dass das Programm nicht bei allen Jugendlichen gleichermaßen wirkt, sondern dass hauptsächlich Mädchen von dem Unterricht profitieren.
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Lebenskompetenzförderprogramme an deutschen Schulen akzeptiert und erfolgreich implementiert sind und zu den gewünschten Veränderungen führen können. Um jedoch langfristige Effekte bei Jugendlichen, besonders bei Jungen oder eher gefährdeten bzw. bereits konsumierenden Jugendlichen, zu erzielen, müssen die Programme um zielgruppenspezifische Maßnahmen erweitert werden. Der Einsatz sollte sich über die gesamte Schulzeit erstrecken, mindestens jedoch bis zum Ende der Sekundarstufe I. Ferner sollten die Maßnahmen in ein umfassendes Netzwerk der Gesundheitsförderung eingebettet sein, das sowohl verhaltens- wie verhältnispräventive Maßnahmen mitberücksichtigt.