Durch Analyse der Gesamtgenomsequenz von Corynebacterium glutamicum wurden zwei offene Leseraster, rpf1 und rpf2, identifiziert, deren abgeleitete Aminosäuresequenzen Ähnlichkeiten mit dem essentiellen Resuscitation-promoting factor (Rpf) aus Micrococcus luteus aufweisen. Vor allem ein Bereich von ca. 80 Aminosäuren, das sogenannte Rpf-Motiv, ist bei diesen Proteinen hochkonserviert. Beide rpf-Gene werden in vivo transkribiert und die von ihnen kodierten Proteine von C. glutamicum-Zellen an das umgebende Medium abgegeben. Durch Amplifizierung und Klonierung entsprechender DNA-Bereiche aus C. glutamicum wurden rekombinierte Stämme konstruiert, die jeweils eines der rpf-Gene verstärkt exprimieren bzw. in einem oder beiden Genen definierte Deletionen tragen.
Das Rpf1-Protein konnte bei verstärkter Expression seines kodierenden Gens aus dem Überstand von C. glutamicum-Kulturen aufgereinigt werden, während das Rpf2-Protein sowohl im Kulturüberstand als auch auf der Zelloberfläche nachgewiesen wurde. Durch Aufreinigung aus Kulturüberständen und anschließender MALDI-TOF-Massenspektrometrie konnten drei Rpf2-Formen mit molekularen Massen von 35, 42 und 47 kDa sowie mehrere verkürzte Formen des Proteins identifiziert werden. Mit einem Enzym-Immunoassay kombinierte Western-Blot-Analysen zeigten eine Glykosylierung der beiden größeren Rpf2-Formen, die ihre reduzierte Mobilität bei SDS-Polyacrylamid-Gelelektrophoresen begründen könnte. Galaktose und Mannose wurden durch kombinierte gaschromatographische und massenspektrometrische Untersuchungen als Hauptbestandteile des Oligosaccharidanteils der Rpf2-Glykosylierung identifiziert.
Rekombinante C. glutamicum-Stämme, die definierte Deletionen in einem der beiden rpf-Gene tragen, zeigten im Vergleich zu Kontrollstämmen unter Standardanzuchtbedingungen keine phänotypischen Veränderungen. Allerdings besitzt eine rpf-Doppelmutante von C. glutamicum nach Überimpfung eines kleinen Inokulums eine deutlich verlängerte lag-Phase, wächst im Vergleich zu den Einzelmutanten und dem Kontrollstamm verlangsamt und erreicht am Ende der Kultivierung geringere Zelldichten. Das Wachstum der Doppelmutante ist in ähnlicher Weise beeinträchtigt, wenn die Zellen vor Überimpfung in frisches Medium einer langandauernden Stationärphase ausgesetzt waren. Die Zugabe von sterilen Kulturüberständen logarithmisch wachsender C. glutamicum-Kulturen sorgt unter diesen Bedingungen für eine signifikante Reduktion der apparenten lag-Phase aller getesteten Stämme mit Ausnahme der rpf-Doppelmutante. Diese Befunde legen nahe, dass es in C. glutamicum vermutlich ein funktionales Zusammenspiel der Rpf-Proteine mit mindestens einer weiteren wachstumsfördernden Substanz im Kulturüberstand dieser Bakterien gibt, welches eine Verkürzung der apparenten lag-Phase bewirken kann.