Mit der Microarraytechnologie kann das komplette Transkriptom eines Organismus unter zwei verschiedenen Bedingungen miteinander verglichen werden. In dieser Arbeit wurde diese Technologie erstmals bei einem phytopathogenen Gram-positiven Bakterium, Clavibacter michiganensis subsp. michiganensis (Cmm), eingesetzt. Dabei wurde das Expressionsprofil von Cmm in planta bzw. unter verschiedenen gut reproduzierbaren in vitro Bedingungen mit dem in Minimalmedium verglichen. In planta trat ein komplexes Expressionsmuster auf, bei dem 10 Tage nach Infektion, einem Zeitpunkt, an dem bereits die ersten Symptome bei Tomatenpflanzen auftreten, 42 Prozent aller Cmm-Gene (1325) im Vergleich zu in vitro-Bedingungen (Minimalmedium, log-Phase) differentiell exprimiert vorlagen. Unter anderem zeigten auch Gene der EPS-Biosynthese und ein Gen, das für ein Perforin codiert (CMM_2283), in der Pflanze ein anderes Expressionsprofil. Das Haupt-EPS (EPS-IV) scheint sowohl in planta als auch in vitro ähnlich stark synthetisiert zu werden. Aufgrund der Induktion von EPS-II und der Repression von EPS-III ist allerdings eine veränderte Oberflächenstruktur der Bakterien innerhalb der Pflanze zu erwarten. Perforine können Poren in Membranen von Eukaryonten bilden, so eine Lyse der Zelle hervorrufen, aber auch den Transport von Proteinen (Virulenzfaktoren/Effektoren) ins Cytosol der Wirtszelle ermöglichen. Die verstärkte Expression des Perforins in planta könnte ein Indiz dafür sein, dass dieses Protein an der Bakterien-Pflanzen-Interaktion beteiligt ist.
Entgegen der Erwartung, dass Virulenzfaktoren in der Pflanze verstärkt exprimiert werden, waren bekannte und potentielle Virulenzfaktoren von Cmm wie z.B. celA (Cellulase), pat-1, chpC oder ppaC (Serinproteasen) in planta reprimiert. Die Repression dieser Gene, die alle für extrazelluläre Enzyme codieren, war auch in vitro nach Supplementierung mit Tomatenblatthomogenat nicht-infizierter Pflanzen zu beobachten. Dies deutet darauf hin, dass sie in späten Infektionsphasen nicht oder nur noch vermindert exprimiert werden. Eventuell wirken cytoplasmatische Komponenten der Pflanze, die durch die zunehmende Mazerierung pflanzlichen Gewebes freigesetzt werden, reprimierend. Die Expression dieser Virulenzfaktoren kann demnach mit dem in vitro-Modellsystem (Minimalmedium mit Tomatenblatthomogenat) gut widergespiegelt werden.
In Gegenwart von Tomatenblatthomogenat konnten zwei Gene für Transkriptionsregulatoren als differentiell exprimiert eingestuft werden, darunter sigY, das für einen Sigmafaktor codiert. Das zweite Gen (CMM_1624) codiert einen Transkriptionsregulator der TetR-Familie und zeigte in Gegenwart von Tomatenblatthomogenat und auch in planta ebenso wie die Virulenzfaktoren eine Repression. Mittels gene-replacement erzeugte CMM_1624-Mutanten wiesen im Pflanzentest mit der Wirtspflanze eine im Vergleich zum Kontrollstamm reduzierte Virulenz auf. Dabei war die Abschwächung der Virulenz bei CMM101_1624 (pCM1+, pCM2-), der Mutante, die nur eins der beiden endogenen Plasmide des Wildtypstamms enthält, stärker als bei der Mutante mit beiden Plasmiden (Cmm1624). Allerdings ist noch unklar, welche Gene von CMM_1624 reguliert werden und zu dem veränderten Virulenzphänotyp führen.
Die Zugabe von Xylemsaft nicht-infizierter Pflanzen führte u.a. zu einer Repression von Genen des Eisenmetabolismus (Hydroxamatbiosynthese und verschiedene Eisentransporter), die eine vorhergesagte Bindestelle für den Eisenregulator DtxR aufweisen. Bei einer DtxR--Mutante allerdings waren die gleichen Gene in mit Xylemsaft supplementiertem Medium im Vergleich zum Wildtyp induziert. Es wurden also Gene identifiziert, die bei der DtxR--Mutante unter erhöhten Eisenkonzentrationen zu einer deregulierten Siderophor-Bildung führen. Zudem kann aufgrund der differentiellen Expression dieser Gene in Medium mit Xylemsaft eine erhöhte Konzentration leicht zugänglicher Eisenverbindungen im Xylemsaft angenommen werden. Ein Transporter der CitMHS-Familie, der an der Aufnahme von Fe3+-Citrat beteiligt sein könnte, war ebenfalls nach Zugabe von Xylemsaft induziert. Da zudem die mittels GC-MS bestimmte Citratkonzentration im Xylemsaft (nicht) infizierter Pflanzen bei 50-120 µM lag, scheint innerhalb des Xylems Citrat als Eisenkomplexbildner in genügend hoher Menge vorhanden zu sein, um die Eisenversorgung von Cmm zu gewährleisten. Zusätzlich kann das Citrat als C- und Energie-Quelle verwendet werden. GC-MS-Messungen des Überstands einer Cmm-Kultur in unverdünntem Xylemsaft zeigten jedoch, dass Carbonsäuren wie Citrat und Malat von Cmm erst nach den offenbar bevorzugten Zuckern, Glucose und Fructose, verwertet werden.
In dieser Arbeit konnten mit der Microarraytechnologie neue Erkenntnisse zur Interaktion von Cmm mit seiner Wirtspflanze gewonnen werden. Auch in Zukunft kann diese Technik zur weiteren Aufklärung der molekularen Mechanismen, die an dieser Bakterien-Pflanzen-Interaktion beteiligt sind, beitragen.