Das Carpaltunnelsyndrom ist das häufigste Nervenengpasssyndrom beim Menschen und wird in Deutschland bei über 300.000 Patienten pro Jahr operativ behandelt. Die bisherige Datenlage aus Sicht von Public Health zeigt nur wenige Erkenntnisse über die Verbindung von medizinischen und sozialen Sachverhalten. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, das Carpaltunnelsyndrom nach operativer Behandlung gesundheitswissenschaftlich zu untersuchen.
Methodik:
4482 Patienten wurden nach erfolgter Operation von 1994 bis 2003 in einer Fall-Serien-Studie retrospektiv untersucht. Medizinische Daten der Patienten wurden mit Daten des Sozialstatus wie auch des Wohnortes und der ethnischen Herkunft verglichen. Dabei erhielten alle Patienten die gleichen medizinischen Behandlungen, wurden nach den gleichen Kriterien vom selben Operateur operiert und nachbehandelt. Ein Qualitätsmanagement kam dabei zu Anwendung. Die Variablen der biophysischen Daten und der sozial- beziehungsweise versorgungsmedizinischen Daten wurden nach SPSS analysiert. Die Variablen Versichertenstatus, präoperatives EMG, Alter über 60 Jahre, Diabetes mellitus und Staatsangehörigkeit wurden nach der multivarianten logistischen Regression auf die Arbeitsunfähigkeitslänge von mehr als 6 Wochen analysiert.
Ergebnisse:
Frauen werden wesentlich häufiger am Carpaltunnelsyndrom operiert als Männer (73,5 Prozent zu 26,5 Prozent). Das Durchschnittsalter bei den Operationen ist für Männer und Frauen gleich bei 56 Jahren. Nur 16 Prozent der Berufstätigen waren länger als 6 Wochen arbeitsunfähig. Die präoperative EMG-Untersuchung und somit die Schwere des Krankheitsbildes korreliert nicht mit der Arbeitsunfähigkeitslänge. Hinweise für einen Zusammenhang aus Berufstätigkeit und Entstehung eines Carpaltunnelsyndromes lassen sich aus den erhobenen Daten nicht darstellen. Diabetes mellitus ist bei Carpaltunnelpatienten als Risikofaktor in der Altersgruppe von 20 bis 50 Jahren vorhanden, insbesondere stellt der Diabetes ein höheres Risiko für Rezidivoperation dar. Unter Carpaltunnelpatienten sind Frauen stärker psychosomatisch beeinträchtigt. Versorgungsmedizinisch besteht in der Stadt Bielefeld eine Unterversorgung von sozial Schwachen, hier Angehörige von Versicherten aus dem Sozialamts- und Asylbereich. Der Ausländeranteil von CTS-Patienten ist in den einzelnen Stadtbezirken unterschiedlich, wobei in vielen Stadtbezirken eine deutliche Unterversorgung stattfindet. Privatpatienten sind kürzer arbeitsunfähig als gesetzlich Versicherte, obwohl sie präoperativ stärkere Sensibilitätsstörungen haben und schlechtere EMG-Befunde. Das Überweisungsverhalten in den Stadtbezirken ist unterschiedlich, es scheint keinen Einfluss im Ergebnis zu haben, ob Patienten vom Facharzt oder Hausarzt zur Operation gelangen.
Die Analyse nach multivarianter logistischer Regression zeigt eine Odds-Ratio für eine AU-Länge von mehr als 6 Wochen für Diabetes 1,487, nicht deutsche Staatsangehörigkeit 1,530 und Alter über 60 Jahre von 2,734.
Resümee:
Das Carpaltunnelsyndrom wird häufiger bei Frauen als bei Männern operiert. Es besteht eine soziale Ungleichheit in der Behandlung und Versorgung bei Ausländern, sozial Schwachen und Asylanten. Die Eingangskriterien zur operativen Behandlung sind bei verschiedenen sozialen Gruppen unterschiedlich.
Eine prospektive Studie zur Forschung soziale Ungleichheit und Carpaltunnelsyndrom mit operativer Behandlung ist erforderlich, um weitere Erkenntnisse zu erhalten, wie die Versorgung von sozial Schwachen und Migranten verbessert werden kann.