In drei Experimenten wurden verschiedene Aspekte von Perspektivwechsel mittels funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) untersucht.
Perspektivwechsel tritt in zwei Formen auf: räumlicher Perspektivwechsel bedeutet, sich die umgebende Welt aus einem anderen Blickwinkel vorzustellen, sozialer Perspektivwechsel meint, sich in die Gedanken- und Gefühlswelt anderer Menschen hineinzuversetzen (sogen. "Theory of Mind", TOM). Man unterscheidet bei beiden Formen des Perspektivwechsels zwischen Erste-Person-Perspektive (1PP) und Dritte-Person-Perspektive (3PP). Während aus der 1PP die äußere Welt aus der eigenen Perspektive bzw. die eigenen mentalen Zustände wahrgenommen werden, wird in der 3PP die Welt aus dem Blickwinkel einer anderen Person betrachtet bzw. es werden einer anderen Person mentale Zustände zugeschrieben.
Die Vermischung vieler kognitiver Prozesse, die Paradigmen zum Perspektivwechsel in der Literatur aufweisen, verhindert eine Zuordnung von Hirnregionen zu dieser Fähigkeit. In Studien wurden häufig artifizielle Paradigmen verwendet, die sehr wenig mit dem alltäglichen Perspektivwechsel zu tun haben, den der gesunde Mensch täglich mühelos absolviert. Hier wurden daher eigene Paradigmen entwickelt, die selektiv einen Aspekt des komplexen Konzeptes Perspektivwechsel untersuchen. Die Verwendung virtueller Charaktere erlaubte durch die maximale Kontrolle über die Stimuli eine auf das Wesentliche beschränkte Präsentationsform. Es wurde darauf geachtet, einen möglichst lebensnahen Perspektivwechsel zu operationalisieren.
Es ist bislang nicht hinreichend bekannt, welche Hirnregionen am Perspektivwechsel beteiligt sind, ob räumlicher und sozialer Perspektivwechsel zusammenhängen und wie die eingenommene Perspektive (1PP oder 3PP) mit der Ebene des Perspektivwechsels (räumlich oder sozial) interagiert. Mit Experiment I sollte deshalb erstmals in einem gemeinsamen fMRT-Paradigma untersucht werden, welche Hirnareale an räumlichem und sozialem Perspektivwechsel beteiligt sind.
Es konnte gezeigt werden, dass sich räumlicher und sozialer Perspektivwechsel in den neuronalen Korrelaten und auf Verhaltensebene unterscheiden. Dies spricht gegen einen engen Zusammenhang beider Fähigkeiten. Die eingenommene Perspektive zeigte sich auf neuronaler Ebene unabhängig zur Form des Perspektivwechsels.
Sowohl die Fähigkeit zum Perspektivwechsel im Raum als auch die Fähigkeit zum sozialen Perspektivwechsel können beeinträchtigt sein. Die Schizophrenie gilt als die prototypische psychiatrische Erkrankung, bei der Defizite im sozialen Perspektivwechsel auftreten. Verhaltensstudien zum räumlichen Perspektivwechsel, die Charakterisierung der neuronalen Korrelate des räumlichen Perspektivwechsels und der einzelnen Perspektiven (1PP, 3PP) bei schizophrenen Patienten existieren bislang nicht. Ebenfalls ist unklar, ob Auffälligkeiten schon im Vorfeld einer schizophrenen Erkrankung im Sinne eines Trait auftreten. In Experiment II wurden daher mit dem kombinierten Paradigma zum räumlichen und sozialen Perspektivwechsel erstmals Personen mit erhöhtem Psychoserisiko untersucht. Es sollte erforscht werden, ob sich diese Patienten in der Fähigkeit zum Perspektivwechsel und in den neuronalen Korrelaten von der Kontrollgruppe unterscheiden.
Personen mit erhöhtem Psychoserisiko unterschieden sich weder in der Fähigkeit zum Perspektivwechsel noch in ihren neuronalen Korrelaten von Gesunden. Dies spricht deutlich gegen ein Trait-Defizit des sozialen Perspektivwechsels bei Schizophrenie.
In Experiment I und II wurde sozialer Perspektivwechsel als sichere Zuschreibung operationalisiert. Im Alltag muss über den mentalen Zustand anderer häufig spekuliert werden. Bislang ist nicht erforscht, ob spezielle Hirnregionen bei unsicheren mentalen Zuschreibungen aktiviert werden. Daher sollte in Experiment III erstmals untersucht werden, welche Hirnregionen an sozialem Perspektivwechsel unter unsicheren Bedingungen beteiligt sind.
Es konnte gezeigt werden, dass sozialer Perspektivwechsel unter Unsicherheit zu Hirnaktivierung in den für sozialen Perspektivwechsel typischen Hirnregionen führte. Variierende Sicherheit der mentalen Zuschreibung ging mit Aktivierung in Regionen, die generell mit der Verarbeitung von Unsicherheit und Konflikt sowie mit dem Erkennen von Emotionen assoziiert sind, einher. Die bekannten neuronalen Korrelate des sozialen Perspektivwechsels aktivierten nicht differentiell mit dem Schwierigkeitsgrad. Dies legt die Vermutung nahe, dass bei Unsicherheit domänenübergreifende zusätzliche kognitive Ressourcen aktiviert werden.
Es konnte gezeigt werden, dass räumlicher und sozialer Perspektivwechsel unterschiedliche kognitive Fähigkeiten darstellen. Diese scheinen bei Schizophrenen nicht außerhalb der akuten Krankheitsphase gestört zu sein. Unsicherheit stellt einen wesentlichen Bestandteil des sozialen Perspektivwechsels dar und sollte in zukünftigen Studien berücksichtigt werden.