Die Idee der Äquivalenzen zwischen Farben und Tönen findet sich bereits bei Aristoteles. Dienten derartige Farb-Ton-Beziehungen als Vehikel für den Beweis physikalischer, mystischer oder psychologischer Korrespondenztheorien zwischen Farben und Tönen, so fanden und finden sie ebenfalls Einsatz in Unterrichts- und Notenmaterialien unter musikpädagogischen Gesichtspunkten. Hieraus resultiert die Frage, unter welchen Bedingungen die praktische Anwendung derartiger Analogien für pädagogische Zwecke sinnvoll ist und unter welchen nicht.
Der vorliegenden Arbeit lagen zwei Grundüberlegungen zu Grunde. Farb-Ton-Verknüpfungen wurden im Rahmen der Synästhesieforschung oder auf historischer, musik- und kunstwissenschaftlicher, physikalischer oder psychologischer Ebene untersucht. Die Arbeit stellt hingegen eine interdisziplinäre Betrachtung der Analogien dar zu Gunsten einer ganzheitlichen Systematisierung. Im ersten Teil der Studie werden Farb-Ton-Analogien vorgestellt und diese nach den vier Kategorien der Intention, der Form, des Ansatzes der Herleitung und des vorgesehenen Verwendungszweckes eingeordnet. Im Anschluss daran wurde ein tetraktysches Kategoriensystem erstellt, innerhalb dessen die vier Hauptkategorien durch emisch aus den Analogien gewonnenen Unterkategorien vervollständigt werden. Dieses Kategoriensystem erlaubt nun dem Autor, Aussagen über die definierten Verwendungszwecke und Intentionen treffen zu können.Der zweite Grundgedanke war die Frage nach dem Nutzen der Verwendung von Farb-Ton-Analogien in Materialien für den Instrumental- und Musikunterricht. Um die Fragestellungen unter dem Aspekt der Zwischensinnlichkeit oder Transmodalität an Unterrichtsmaterialien konkretisieren zu können, wird die Kodierung von farbigen Notationen in Hinblick auf eben diese transmodalen Parameter oder Qualitäten genauer definiert und bisherige Erkenntnisse herangezogen.
Etliche Studien über transmodale Qualitäten zeigen nicht nur Korrespondenzen zwischen Qualitäten von Wahrnehmungen verschiedener Sinne auf, sondern belegen auch Interaktionen zwischen diesen Qualitäten in Entscheidungsprozessen. In Anbetracht der häufigen Verwendung von Farbhelligkeit-Tonhöhen-Verknüpfungen in Unterrichtsmaterialien ist die Klärung dieser Frage für den Nutzen der Verwendung von Farb-Ton-Analogien essentiell.
Der experimentelle Teil der Studie widmet sich ihrer Beantwortung durch eine psychophysikalische Versuchsreihe. Während sich der erste Versuch der Frage nach einer der Tonhöhe äquivalenten Skalierbarkeit von Farbhelligkeiten nachgeht, sollen durch die zwei folgenden Tests positive Effekte durch bestimmte Verknüpfungen von Farben und Tonhöhen oder, bei "falscher" Verknüpfung, eventuell sogar negative Auswirkungen auf die Ergebnisse von Diskriminanzaufgaben aufgezeigt werden. Dies bedeutet konkret, dass Farbwahrnehmung die Tonwahrnehmung und umgekehrt die Diskriminanzfähigkeit der Wahrnehmungen des jeweils anderen Sinnes beeinflussen kann. Diese Beeinträchtigungen durch inkongruente Farb-Ton-Verknüpfungen wurden in den beiden Versuchen in beide Richtungen nachgewiesen; so wichen die Probanden bei der Helligkeitsbestimmung von Farben stärker ab, wenn der zeitgleich dargebotene Ton der subjektiven, intermodalen Helligkeit nicht entsprach. Ebenso konnten bei einem zweiten Versuch Beeinflussungen der Probanden bei der Höheneinschätzung zwei unterschiedlich hoher Sinustöne durch parallel dargebotene Farben aufgezeigt werden. Bei beiden Versuchen überwiegten die negativen Wirkungen der inkongruenten Verknüpfungen im Vergleich zu den positiven Verknüpfungen der kongruenten Darbietungen.
Die Ergebnisse führten zu einem differenzierten Urteil über den Nutzen von Farb-Ton-Analogien im musikpädagogischen Kontext. Inkongruente Verknüpfungen könnten die für eine musikalische Reproduktion notwendige "audiation", also das Verstehen von Musik, erschweren. Inkongruenzen zwischen Farbe und Ton könnten zudem dem Verstehen der Verknüpfung Tonhöhe räumliche Höhe innerhalb der Notation entgegenwirken, was sich besonders negativ bei Notenlesegängen auswirken könnte. Letztlich scheint auch die Vermittlung musikalischer Strukturen durch Farben anfällig für störende Kongruenzeffekte bei inkongruenter Farb-Ton-Verknüpfung zu sein, und zwar genau dann, wenn durch die vermeintliche Vereinfachung der Darstellung tatsächlich eine Erschwerung durch Inkongruenzen vorliegt, die erst durch bewusste Reflexion überwunden werden kann.
Die grundliegende Schwierigkeit der Umgehung von kontraproduktiven Kongruenzeffekten stellt eine Hürde beim Erstellen von farbkodiertem Material dar. Der als Erleichterung des Lernprozesses gedachte Einsatz von Farb-Ton-Verknüpfungen kann ebenso in einer Verschlechterung desselben resultieren.