Die Dissertation zielt darauf ab, Ansatzpunkte zur biografieorientierten Kompetenzentwicklung von Führungskräften zu entwickeln. Bisher existieren in Wissenschaft und Praxis kaum Ansätze, um biografieorientiertes Lernen zu fördern.
Der Kompetenzentwicklung von Führungskräften kommt in Zeiten großer Umstrukturierungen eine große Bedeutung zu. D.h. die strukturellen Veränderungen sind durch geeignete Kompetenzentwicklungsmaßnahmen zu begleiten. Die Frage ist, wie diese Kompetenzentwicklung der Führungskräfte zu gestalten ist. Die Biografieforschung (bzw. die verschiedenen wissenschaftstheoretischen Ansätze derselben) stellt eine reichhaltige Quelle im Rahmen der Kompetenzentwicklung dar, um die einzelnen Führungskräfte bei ihren Entwicklungsprozessen zu unterstützen.
Die Arbeit beginnt mit einer ausführlichen Darstellung der Veränderungsprozesse in den vergangenen Jahren. Dabei wird auf veränderte Technologien, Märkte und Werte eingegangen. Dem folgt die Beschreibung der organisatorischen Veränderungen sowie des Wandels in der Berufs- und Arbeitswelt.
Im nächsten Abschnitt folgt die Klärung, was Führung in Organisationen heute bedeutet und welche verschiedenen theoretischen Ansätze innerhalb der Führungsforschung existieren. Die Auseinandersetzung mit den Vorstellungen von Führung war wichtig, weil Elemente jedes einzelnen Konzeptes die Führungskräfte in unterschiedlichem Ausmaß geprägt haben können bzw. sich daraus Erklärungsansätze für das Führungsverhalten einzelner Personen ableiten lassen. Die klassischen Führungsauffassungen (z.B. die "Great Man Theory") reichen nicht aus, um mit den anstehenden Problemen und Anforderungen in den Organisationen umzugehen, denn sie sind nicht in der Lage, die mit den Veränderungen einhergehende höhere Komplexität zu erfassen.
Die Biografieforschung stellt eine große Quelle im Rahmen der Kompetenzentwicklung dar, um die einzelnen Führungskräfte zu unterstützen. Typisch für die Biografieforschung ist die Frage nach den individuellen Sinn- und Bedeutungsgehalten. Ziel ist es somit, die Individuen selbst nach ihren konkreten Lebenserfahrungen zu fragen. Es bieten sich Möglichkeiten, die Erfahrungen zum Erwerb der individuellen Einstellung zur Führung sowie die individuellen Lern- und Bildungserfahrungen zu nutzen.
Für die Führungskräfte ist es wichtig, den bisherigen Weg (beruflich und privat) reflektorisch in die gegenwärtigen und künftigen Entwicklungen zu integrieren, denn so können gewinnbringende Rückschlüsse für die eigene Situation gezogen werden. Das Bewusstwerden der individuellen Führungskompetenzen stellt für jede Führungskraft eine große Ressource zur persönlichen Standortbestimmung dar, zur Planung und Realisierung künftiger Ziele sowie zur Weiterentwicklung der eigenen Kompetenzen.
Die Analyse und Reflexion dieser Aspekte liefert fruchtbare Erkenntnisse für die biografieorientierte Kompetenzentwicklung der Führungskräfte. Die Brauchbarkeit und die Verwertungsmöglichkeiten von einheitlich zugeschnittenen Konzepten, die nicht auf den individuellen Erfahrungs- und Lernhintergrund der einzelnen Beteiligten eingehen, wird in Frage gestellt.
Im empirischen Teil der Dissertation wurde auf qualitative Forschungsmethoden zurückgegriffen, da somit die Möglichkeit gegeben war, auf die individuellen Erfahrungen jeder einzelnen Führungskraft einzugehen. Es wurden leitfadengestützte, biografische Interviews mit fünf Führungskräften eines Wirtschaftsunternehmens geführt, um exemplarische Beispiele über die Vorstellung von Führung bei den Einzelnen zu erfragen und darüber zu reflektieren. Die gewonnenen Erkenntnisse dienten der Überprüfung der theoretischen Ausführungen.
Resümee: Es wurde gezeigt, dass die Kompetenzentwicklung von Führungskräften insbesondere in Zeiten einschneidender Veränderungsprozesse eine enorme Bedeutung hat. Dabei ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Kompetenzentwicklung an den biografischen Führungserfahrungen der Individuen anknüpft. Denn der Erwerb von Führungskompetenzen ist biografisch geprägt und hängt in der Weiterentwicklung von den individuellen Erfahrungen des Einzelnen ab. Ziel muss daher im Zusammenhang mit der individuellen Führungseinstellung sein, die eigenen Vorannahmen immer wieder zu überprüfen.
Es wurde erläutert, warum das Reflektieren und das sich Vergegenwärtigen der eigenen Führungsbiografie für den Umgang mit aktuellen Führungsaufgaben, insbesondere aufgrund umfassender Veränderungsprozesse, eine herausragende Bedeutung hat. Es wurde gezeigt, dass eine Führungskraft hierdurch sehr gewinnbringende Hilfestellung und Orientierung erhält in Bezug auf die individuellen Kompetenzen.
Gerade die vor- oder außerberuflichen biografischen Erfahrungen der Führungskräfte wirken sich entscheidend auf das Verständnis von Führung und das Führungsverhalten aus. Daher sind diese in der Kompetenzentwicklung entsprechend aufzugreifen und gezielt zu nutzen für die Weiterentwicklung der individuellen Führungskompetenzen.