Die hier vorgelegte Dissertation versteht sich als einen Beitrag zum besseren Verständnis gesundheitlicher Ungleichheiten im Bereich Prävention und Gesundheitsförderung in Public Health. Ausgangspunkt der Arbeit bildet die in Public Health bekannte Diagnose des Präventionsdilemmas, die den Umstand beschreibt, dass sozial benachteiligte Gruppen seltener Maßnahmen und Angebote der Prävention und Gesundheitsförderung in Anspruch nehmen als soziale Gruppen aus der Mittelschicht, obwohl sie von diesen besonders gut profitieren würden. Dieser Umstand führt zu Persistenz und gar zur Vergrößerung gesundheitlicher Ungleichheiten.
In dieser Arbeit wird diese "präventive Ungleichheit" für den Bereich der Vorsorgeuntersuchungen und der Elternpartizipation im Setting Kita genauer unter die Lupe genommen. Dabei wird u. a. der Frage nachgegangen, inwieweit und unter welchen Umständen die in der Public Health verbreiteten und zur Überwindung des Präventionsdilemmas als erfolgversprechend geltenden Strategien der Settinganbindung einerseits und des zielgruppenspezifischen Zugangs andererseits in der Lage sind, Ungleichheiten in der Prävention und Gesundheitsförderung zu reduzieren. Besonderer Fokus wird auf die genaue Bestimmung und Definierung der Zielgruppen gelegt, denn dies wird als eine wichtige Bedingung der Möglichkeit erachtet, um genau die präventiven Bedarfe der entsprechenden Zielgruppen zu erheben und dann anschließend angemessene politische und praktische Maßnahmen zu initiieren. Dabei werden die beiden Kategorien Schichtzugehörigkeit und Migrationshintergrund als besonders relevante Kategorien der Zielgruppenbestimmung für Public Health erachtet, weil diese so eine These der Arbeit am stärksten ungleichheitsgenerierend wirken. Aus diesem Grund wird im empirischen Teil der Arbeit eine zweidimensionale Auswertungslogik entlang der beiden Strukturdimensionen soziale Schichtzugehörigkeit und Migrationshintergrund gewählt.
Die empirischen Ergebnisse zeigen, dass bei der Inanspruchnahme und der Bewertung der Vorsorgeuntersuchungen für Kinder, für die Wahrnehmung präventiver Programme im Setting Kita sowie in der Elternpartizipation im Setting Kita Differenzen entlang der beiden Dimensionen Schicht und Migration festzustellen sind. Als ein wichtiges Ergebnis für das Verständnis gesundheitlicher Ungleichheiten in der Prävention und Gesundheitsförderung kann festgehalten werden, dass in vielen Bereichen lediglich die Gruppe der Eltern mit Migrationshintergrund aus den unteren sozialen Schichten (und nicht Migranteneltern prinzipiell) sich als außerordentlich vulnerabel erweist. Neben der Berücksichtigung der sozialen Schichtzugehörigkeit und damit zusammenhängend ungleicher Ressourcenausstattung wird in dieser Arbeit ebenfalls für die Berücksichtigung kultureller Differenzen und Migrationseffekten zu Beschreibung, Erklärung und Reduzierung gesundheitlicher Ungleichheiten plädiert.