Serpine sind metastabile Proteaseinhibitoren, die ihre Zielenzyme irreversibel hemmen. Sie besitzen eine exponierte Schleife (reactive centre loop, RCL), die der Protease als Substrat präsentiert wird. Auf die Bindung der Protease folgen Konformationsänderungen, die das Enzym deformieren und somit inaktivieren. Die Aminosäuresequenz im RCL der Serpine bestimmt, welche Proteasen gehemmt werden.
Das Spn4-Gen aus Drosophila melanogaster wird differenziell gespleißt und codiert Serpinvarianten mit vier unterschiedlichen RCLs. Im Rahmen dieser Arbeit wurden die vier Spn4-Varianten rekombinant produziert, gereinigt und auf Proteinebene untersucht.
Für alle vier Serpine wurden Proteasen identifiziert, die irreversibel und mit physiologisch relevanten Geschwindigkeiten inhibiert werden. Die aufgrund der großen Unterschiede im RCL postulierten unterschiedlichen Proteasespezifitäten der einzelnen Varianten konnten experimentell bestätigt werden. Variante Spn4A/E inhibiert humanes Furin, eine subtilisinähnliche Proproteinkonvertase der Serinproteasefamilie S8. Die Isoform Spn4D/H inhibiert die S1-Protease neutrophile Elastase. Die Varianten Spn4B/F und C/G hemmen nicht nur die S1-Proteasen Chymotrypsin und Elastase, sondern auch Cysteinproteasen der Familie C1 und sind die ersten bekannten cross-class Serpine aus Drosophila. Spn4 ist damit das erste beschriebene Gen, welches auf der Basis eines gemeinsamen Serpingerüsts die Expression von Isoformen ermöglicht, die Proteasen aus drei verschiedenen Klassen regulieren können.
Die für die Embryonalentwicklung von Säugern essenzielle Protease Furin ist im sekretorischen Pfad lokalisiert und prozessiert durch Spaltung C-terminal von multibasischen Motiven eine Vielzahl von Vorläuferproteinen. Durch ihre Beteiligung an pathologischen Prozessen wie Tumormetastasierung, HIV-Infektion oder Aktivierung des Bacillus anthracis-Toxins ist ihre Hemmung von pharmakologischem Interesse.
Spn4A/E wurde in dieser Arbeit als schnellster bisher bekannter Furininhibitor charakterisiert. Die Sequenzabfolge Arg-Arg-Lys-Arg im RCL des Serpins wurde als reaktives Zentrum für die Interaktion mit Furin bestätigt. Immunfluoreszenzstudien zeigten, dass das Serpin im endoplasmatischen Retikulum lokalisiert ist und somit als Werkzeug zur Hemmung von Furin in vivo dienen kann.
Die RCL-Variante A/E könnte ein natürlicher Inhibitor der Furine 1 und 2 von Drosophila sein, denn das rekombinante Serpin bildet kovalente Komplexe mit löslichen Formen von beiden Konvertasen. Weiterhin haben Kotransfektionsstudien gezeigt, dass die Prozessierung des Furinsubstrats Apolipophorin in Insektenzellen durch das Serpin gehemmt wird.