Der vollständige Funktionsverlust der Leber kann in der modernen Medizin bisher nur durch den Austausch des funktionsuntüchtigen gegen ein gesundes Organ, d.h. durch eine Lebertransplantation behandelt werden. Da es jedoch weit mehr transplantationsbedürftige Patienten gibt als geeignete Spenderorgane zur Verfügung stehen, gibt es weltweite Anstrengungen zur Entwicklung alternativer Behandlungsmethoden.
Nach bisherigem wissenschaftlichen Erkenntnisstand ist die bioartifizielle Leberunterstützung der vielversprechendste Ansatz. In den hierzu entwickelten Systemen übernehmen isolierte Leberzellen (Hepatocyten) über den Zeitraum die Funktionen der ausgefallenen Leber, bis entweder ein Transplantat vorhanden ist bzw. das geschädigte Organ sich wieder erholen kann. Bisher wurden in diesen Systemen aufgrund der bequemen Verfügbarkeit Leberzellen des Hausschweins eingesetzt. Die Gefahr potentieller Zoonosen, die von den porcinen Hepatocyten als Träger endogener Retroviren ausgeht, sowie die Exposition des Patienten gegenüber den durch diese Zellen synthetisierten xenogenen Proteinen verlangt jedoch die Suche nach geeigneteren Zellquellen. Um ausreichende Zellmengen zu erzeugen, ist daher die Entwicklung einer humanen Hepatocytenlinie erforderlich. Diese muss einen nicht-malignen Phänotyp ausweisen, dennoch eine hohe Teilungsfähigkeit besitzen, dauerhaft ausdifferenziert bleiben und die gleichen synthetisierenden und detoxifizierenden Eigenschaften zeigen wie die Hepatocyten in vivo. Ziel des Vorhabens war daher die Entwicklung einer Zelllinie mit den zuvor genannten Eigenschaften und ferner von Methoden, welche die Vermehrung, die Kontrolle der leberspezifischen Eigenschaften sowie die kontinuierliche Bereitstellung dieser Zellen ermöglichen.
Für die funktionelle Charakterisierung der Hepatocyten wurden mit der Bestimmung der Coumarin-7-Hydroxylase-Aktivität (CH-Aktivität), der ECOD-Aktivität (Ethoxycoumarin-7-Deethylase-Aktivität) und der EROD-Aktivität (Ethoxyresorufin-7-Deethylase-Aktivität) drei Methoden etabliert, die eine zellspezifische Bewertung der leberspezifischen Eigenschaften der drei verwendeten Hepatocytenlinien (HepT, K105 und C3A) zuließ. Jedoch reichten diese Cytochrom-P450-Aktivitäten der Hepatocytenlinien nicht an diejenigen primärer Hepatocyten heran. Mit Hilfe der Microcarriertechnik wurde eine Methode entwickelt, welche die Expansion von Hepatocyten zu Zellmengen für die Anwendung in bioartifiziellen Leberersatzsystemen ermöglicht. Im Fall von C3A konnte gezeigt werden, dass mit der Sphäroidkultivierung eine alternative Expansionsmöglichkeit besteht, bei der zudem die Kosten für die Anschaffung der Microcarrier und der zusätzliche Zeitaufwand bei der Anwendung dieser Träger entfallen. Aus den Ergebnissen zur kontinuierlichen Bereitstellung geht eindeutig hervor, dass die Entwicklung einer allgemeingültigen hypothermischen Konservierungsmethode mit Hilfe von Modellzelllinien, die dann auf beliebige andere Hepatocytenlinien übertragen werden kann, nicht möglich ist. HepT, C3A und K105 verhielten sich untereinander je nach Versuchsanordnung sehr unterschiedlich. Bei HepT konnte das Absterben der Zellen durch eine modifiziert anoxische Lagerung im geregelten 1-L-Bioreaktorsystem auf Verluste von 2,3 v.H. pro Tag zur Ausgangszellmenge begrenzt werden. Danach wäre die modifiziert anoxische Lagerung der Zellen bei 4°C über einen Zeitraum von etwa 2-3 Wochen eine Alternative zur Kryokonservierung, wenn man beim Einfrieren und Wiederauftauen einen Gesamtverlust von bis zu 40 v.H. der Zellmenge primärer Hepatocyten als Berechnungsgrundlage annimmt (vgl. MAGANTO et al. 1990). Nach der Rethermierung auf 37°C erreichte HepT 95 v.H. der maximalen Proliferationsaktivität der Kontrollkultivierung unter Normbedingungen, d.h. eine schnelle Reaktivierung der Zellen nach einer hypothermischen Lagerung wurde erreicht.
Während bei HepT das Überleben der Zellen unter hypothermischen Bedingungen durch die gesamte Bandbreite der Modifizierungen der Sauerstoffverhältnisse entscheidend beeinflusst wurde, konnte das massive Absterben von K105 lediglich unter modifiziert anoxischen Bedingungen erkennbar reduziert werden. Noch dramatischer war die Situation bei C3A. In keiner der gewählten Versuchsanordnungen wurde das Absterben der Zellen auch nur ansatzweise unterbunden. Offenbar führt bei dieser Hepatoblastomzelllinie eine Temperaturerniedrigung auf 4°C grundsätzlich zum Tod der Zellen. Angesichts der hier vorgestellten Ergebnisse ist erstaunlich, dass die Fa. VitaGen ihr mit C3A befülltes bioartifizielles Leberersatzsystem ELAD für den Transport zum Bestimmungsort unter Verwendung von Kultivierungsmedium ohne zusätzliche besondere Maßnahmen auf 4°C abkühlt. Angesichts des unterschiedlichen Verhaltens der verwendeten Hepatocytenlinien ist ein abschließendes Urteil über die Möglichkeiten der hypothermischen Konservierung zur kontinuierlichen Bereitstellung von Hepatocyten für die Anwendung in bioartifiziellen Leberersatzsystemen nur äußerst schwer zu fällen. Hierzu wäre es erforderlich, die Untersuchungen mit einer Hepatocytenlinie durchzuführen, die auch die notwendigen Eigenschaften für den therapeutischen Einsatz besitzt.