Am Beispiel des afrikanischen Landes Kamerun werden in dieser Arbeit zentrale Aspekte der Frankophonie, der Sprachvarianten des Standard-Französischen und der Mehrsprachigkeitsbedingungen als generelles Problem multilingualer Gesellschaften diskutiert. Der Aufbau der Arbeit wird von der doppelten Zielsetzung bestimmt, sowohl ein Beschreibungsmodell für komplexe Sprachsituationen zu entwickeln als auch dieses auf die Situation in Kamerun exemplarisch anzuwenden.
Dabei werden zunächst die sprachlichen, politischen und kulturellen Bedingungen erarbeitet, die dem Französischen eine weltweite Expansion ermöglichten, wobei die wichtigsten Aspekte der Sprachgeschichte bis zur Revolution, die Etappen der französischen Kolonialgeschichte und schließlich die Phasen der Entwicklung der institutionalisierten Frankophonie bis zur aktuellen Organisationsstruktur der OIF berücksichtigt werden.
Nach der Bestimmung von Sprecherzahlen werden die vier bedeutendsten Vorschläge zur Modellierung der Rolle des Französischen in frankophonen Gesellschaften präsentiert. Dabei handelt es sich um den geo-historischen Ansatz Willy Bals, den durch Albert Valdman eingeleiteten Paradigmenwechsel zum Konzept der Vehikulär- und Vernakulärsprachen und der Problematisierung der Bezugsnorm für Typologisierungen, die von Gabriel Manessy vertretene soziolinguistisch-deskriptive Perspektive bei der Beschreibung von Varianten des Französischen in Afrika und schließlich um die von Claude Chaudenson entwickelte Beschreibungsmatrix. Da alle diese Ansätze die konkrete kommunikative Praxis und die Wirkungen der Konkurrenzsituation auf die Entwicklung der betroffenen Sprachen nur unzureichend berücksichtigen, werden zudem wichtige Ansätze zur Beschreibung von Sprachkontaktsituationen diskutiert, wie Diglossie, Glottophagie, Polyglossie und das Kontinuumkonzept.
Mit Hilfe der Kenntnisse der historischen Bedingungen der Verbreitung, der Typologisierungskonzepte und der Theorien des Sprachkontaktes wird abschließend ein soziolinguistisches Profil des Französischen in Kamerun erstellt, welches von Beispielen eines im Rahmen dieser Arbeit erstellten Interviewkorpus illustriert wird. Erarbeitet werden dabei insbesondere die koloniale und postkoloniale Integration des Französischen in die kommunikative Praxis; die postkoloniale Situation der offiziellen Zweisprachigkeit und die staatliche Förderungspolitik; Varietäten wie das akrolektale Standardfranzösisch, das mesolektale Umgangsfranzösisch der Bildungsschichten und das basilektale Französisch der nicht skolarisierten Bevölkerung; das Camfranglais der städtischen jungen Erwachsenen mit seiner ludischen, kryptischen und identifikatorischen Funktion; die regionalen Ausprägungen der meso- und basilektalen Varietäten außerhalb der urbanen Zentren; die regional verschiedenen Hierarchien der Sprachen in der Einschätzung und im effektiven Gebrauch; die neu entstehenden Konkurrenzsituationen zwischen den basilektalen Varietäten und den afrikanischen Sprachen und schließlich die neu entstehende endogene Norm des "kamerunischen Französisch".