Die anhaltende Debatte um die Inhalte einer grundlegenden Reform des Gesundheitssystems nimmt aktuell einen immer breiteren Raum in der politischen Diskussion ein. Nahezu täglich werden Konzepte und Vorschläge von Kommissionen, Ärzteverbänden, Krankenkassen, Lobbyisten - also nahezu allen Marktteilnehmern im Gesundheitswesen - veröffentlicht.
Diese "Reformvorschläge" fokussieren aber oftmals (bewusst oder unbewusst) lediglich Systemausschnitte, d.h. sie berücksichtigen nicht die hohe Komplexität des Systems und die vielfältigen Einflussfaktoren auf die Entwicklung der GKV.
Um diese komplexe Sichtweise zu gewährleisten und zugleich auch umsetzbare Lösungen für eine zukunftsfähige Gestaltung der GKV zu erarbeiten, wurde in der vorliegenden Arbeit das in der Regel auf Unternehmensebene eingesetzte Instrument des strategischen Managements auf die GKV-Branche übertragen. Damit soll der Politik ein Konzept für eine langfristig und ganzheitlich angelegte Reform des Versorgungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung an die Hand gegeben werden. Durch die strikte Orientierung am Prozess des strategischen Managements wird dabei sichergestellt, dass bei der Strategiefindung an vorhandenen Strukturen angeknüpft wird und zudem auch Lösungen für die operative Umsetzung der Strategien angeboten werden.
Die wesentlichen Inhalte der erarbeiteten Kernstrategien sind dabei die Einführung von Wettbewerb im Bereich der ambulanten Versorgung. Hierbei sollen zukünftig im Rahmen einer Oligopollösung Krankenkassen bzw. Krankenkassenverbünde mit Leistungserbringerverbünden Versorgungsverträge schließen. Zugleich werden Leistungserbringer in einem solchen Wettbewerbsmarkt sehr viel stärker gezwungen sein, über möglichst einheitliche Kennzahlenssysteme ihre Effizienz und Qualität gegenüber Kostenträgern und Patienten nachzuweisen und damit für eine Verbesserung der Transparenz im Gesundheitswesen zu sorgen. Ein weiterer wesentlicher Punkt ist die Neuausrichtung der Anreize für Leistungserbringer und Krankenkassen an Krankheitsverläufen und damit eine Überwindung der sektororientierten Denkweise der Beteiligten. Regional organisierte Leistungserbringergruppen schließen auf freiwilliger Basis Versorgungsverträge ab, die die gesamte medizinische Versorgung eines definierten Versicherungskollektivs umfassen. Die Vergütung erfolgt dabei über morbiditätsorientierte und sektorübergreifende Behandlungspauschalen sowie über Boni, die bei Erreichen vereinbarter Kosten- und Qualitätsziele gezahlt werden. Um diese prozessorientierte Denkweise zu komplementieren, erfolgt außerdem die Umsetzung eines breit angelegten Präventions- und Gesundheitsförderungskonzeptes, wo neben dem GKV-System auch weitere Politikbereiche (z.B. Bildung) involviert werden müssen.
Die Finanzierung der GKV soll zukünftig weiterhin auf einer grundsätzlichen solidarischen Basis erfolgen. Allerdings erscheint es aufgrund einer stetig sinkenden Lohnquote sinnvoll, die Beitragsbemessungsgrundlage auf eine breitere Basis zu stellen und Einkommen aus Kapitalerträgen sowie aus Vermietung und Verpachtung zusätzlich zu berücksichtigen. Bezüglich des Leistungskataloges werden versicherungsfremde Leistungen sowie Zahnersatzleistungen aus der GKV ausgegliedert und entweder steuerfinanziert oder in die Eigenverantwortung der Versicherten übertragen.
Mit der Übertragung des strategischen Managements auf die GKV-Branche und der damit verbundenen langfristigen und ganzheitlichen Betrachtung der Branche unterscheidet sich das Vorgehen in der vorliegenden Arbeit deutlich vom Vorgehen der aktuellen Politikverantwortlichen und geht auch deutlich über die derzeit diskutierten Reformvorschläge hinaus.