Die 1986 entdeckte Movile-Höhle stellt ein Grundwasserökosystem dar, das eine artenreiche Gemeinschaft von Wirbellosen beherbergt. Jedoch erreicht keinerlei photoautotroph produzierte Nahrung die Höhle, die seit mindestens der letzten Eiszeit vollständig von der Erdoberfläche isoliert ist. Stattdessen beruht alles Leben in der Höhle allein auf chemoautotropher Produktion. Auf einem thermomineralem, methan- und sulfidhaltigem See schwimmen chemoautotrophe mikrobielle Matten, die von dichten, teilweise endemischen Meiofaunapopulationen besiedelt sind. Diese Gemeinschaft umfasst jedoch nur etwa 20 Arten, so dass das Nahrungsnetz der Matten außergewöhnlich einfach aufgebaut ist. Aufgrund der Besonderheiten dieses Ökosystems (extreme Isolation, alleinige Abhängigkeit von chemoautotropher Produktion, konstante abiotische Parameter) bietet die Movile-Höhle die Gelegenheit, ein vollständiges Ökosystem umfassend zu charakterisieren. Das Hauptanliegen der Studie war, einen Einblick in das Nahrungsnetz dieses Ökosystems zu erlangen.
Die einzigartigen physikalisch-chemischen Bedingungen der Höhle wurden experimentell simuliert, so dass schwimmende mikrobielle Matten im Labor kultiviert werden konnten. Diese kultivierten Matten wurden schnell von den hochadaptierten Höhlenorganismen kolonisiert. Gemessen an Individuenzahl und Biomasse wurden sowohl kultivierte als auch natürliche Matten deutlich von fünf Arten bakterienfressender Nematoden sowie einem räuberischen Copepoden dominiert. Die Entwicklung der Nematodengemeinschaft wurde über ein Jahr verfolgt, wobei sich zeigte, dass die relative Zusammensetzung auf Artniveau starken Fluktuationen unterlag. Ähnliche Fluktuationen wurden auch in natürlich gewachsenen Matten beobachtet und könnten eine sukzessive Abnahme bakterieller Nahrung in den Matten widerspiegeln. Frühere Berichte, dass die Nematoden auch unter vollständiger Anoxie gedeihen, konnten nicht bestätigt werden.
Mit den beiden häufigsten Nematodenarten der Höhle wurden Untersuchungen zum Lebenszyklus durchgeführt. Sowohl Poikilolaimus sp. als auch Panagrolaimus sp. erwiesen sich als vergleichsweise schnell wachsende Arten, die ihre Populationsgrößen alle 4,21 bzw. 2,24 Tage verdoppeln können, wenn Nahrung im Überfluss vorhanden ist. Panagrolaimus produziert zwar während seines Lebens insgesamt weniger Nachkommen als Poikilolaimus, weist aber aufgrund seiner kürzeren Entwicklungszeit ein höheres maximales Populationswachstum auf. Anschließende Studien unter variablen Nahrungsbedingungen sowie die Tatsache, dass in Movile kein kompetitiver Ausschluss von Nematodenarten stattfindet, legen nahe, dass die Nematoden unterschiedliche Ansprüche bezüglich der bevorzugten Nahrungsdichte aufweisen.
Eine verbesserte Methode zur Untersuchung von Parametern des Lebenszyklus von Nematoden wurde entwickelt und anschließend auf Caenorhabditis elegans angewendet; möglicherweise wird sie sich im Vergleich zu traditionellen Kultivierungstechniken als vorteilhaft erweisen.
Studien zum Nahrungsnetz zielten darauf ab, zu untersuchen, ob die Nematoden, die zweifellos einen erheblichen Anteil der chemoautotroph produzierten Biomasse konsumieren, auch höheren trophischen Ebenen als Nahrungsgrundlage dienen. Mit täglichen Konsumptionsraten, die das 2,5-fache seines eigenen Körpergewichtes übersteigen konnten, erwies sich der häufige Copepode Eucyclops subterraneus scythicus als gefräßiger Räuber von Nematoden - ein Ergebnis, dass auch von vorläufigen Untersuchungen zu Stabilen-Isotopen-Verhältnissen (Delta15N) gestützt wird. Berechnungen der Biomassenproduktion durch Nematoden sowie der Fraßraten des Copepoden legen nahe, dass Eucyclops in Movile eine top-down Kontrolle auf die Nematodenpopulationen ausüben könnte. Weitere Räuber-Beute-Experimente mit dem an der Erdoberfläche weitverbreiteten Copepoden Diacyclops bicuspidatus deuten an, dass die beobachtete trophische Verbindung zwischen Nematoden und Copepoden auch in zahlreichen anderen aquatischen Habitaten von Bedeutung ist: Sie könnte eine wichtige benthisch-pelagische Kopplung zwischen mikrobiellem Kohlenstoff, endobenthischen Nematoden, epibenthischen Copepoden und pelagischen Fischen darstellen.
Erste Untersuchungen anhand von Amplified Ribosomal DNA Restriction Analysis (ARDRA) zeigten, dass die bakterielle Diversität der schwimmenden mikrobiellen Matten in Movile möglicherweise höher als erwartet ausfällt.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass unsere Untersuchungen eine erste Skizze der wichtigsten energetischen Wege im Nahrungsnetz von Movile entwerfen. Das entstehende Bild zeigt ein außergewöhnlich einfach aufgebautes Nahrungsnetz, in dem chemoautotrophe mikrobielle Matten die Nahrungsgrundlage bakterienfressender Nematoden sind, die wiederum stark von Copepoden bejagt werden.