Im Rahmen der vorliegenden Arbeit konnte ein Einfluss der posttranslationalen Modifikationen von Heparinkofaktor II (HCII) auf die Heparin-Bindung nachgewiesen werden. Auch die Bildung des stabilen 1:1-Komplexes von HCII mit Thrombin beeinflusste die Bindung an Heparin. Mit Hilfe einer HCII-Deletionsmutante (HCII[Delta]51-76) ließ sich eine Immunfluoreszenz-Methode etablieren, die HCII-aktivierende Glykosaminoglykane (Heparin und Dermatansulfat) in der extrazellulären Matrix lokalisiert.
HCII[Delta]51-76 mit deletierter saurer Domäne des N-Terminus wurde in E. coli im 5-l-Maßstab exprimiert. Aufgrund einer sehr hohen Affinität zu Heparin eignete sich HCII[Delta]51-76 besonders für den Immunfluoreszenz-Nachweis von HCII-bindenden Glykosaminoglykanen in der extrazellulären Matrix.
Mit metabolischen Inhibitoren konnten posttranslationale Modifikationen von HCII in Zellkulturen gezielt unterdrückt werden. Die Inhibition der N-Glykosylierung mit Tunicamycin erzeugte in CHO- und HepG2-Zellen HCII mit höherer Heparin-Affinität. Die Inhibition der Tyrosin-Sulfatierung durch Chlorat erhöhte die Heparin-Affinität ebenfalls.
Zur Analyse der Heparin-Bindung wurden Affinitätschromatographie-Säulen mit immobilisiertem Heparin verwendet und die NaCl-Konzentration bestimmt, bei der die Proteine eluieren. HCII eluierte von Heparin-Sepharose bei 210 mM NaCl, Thrombin bei 480 mM und der Thrombin-HCII-Komplex bei 380 mM. Dies ließ den Schluss zu, dass sich die Heparin-Bindungsstelle von Thrombin durch die Komplexierung verändert haben muss, da sich dessen Heparin-Affinität infolge der Komplexbildung verringert hat.
Die Struktur sowie die Anzahl der N-Glykane und der sulfatierten Tyrosin-Reste von HCII konnte durch eine Kooperation mit der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung mbH in Braunschweig von H. S. Conradt und Mitarbeitern aufgeklärt werden. Aus humanem Plasma gereinigtes HCII besitzt drei überwiegend biantennäre fast vollständig ([alpha]2->6)-sialylierte Glykane vom komplexen Typ. Etwa 10 v.H. der N-Glykane sind triantennär und tragen aufgrund einer peripheren Fucosylierung Sialyl-Lewis X-Motive. Zwei Tyrosin-Reste im N-Terminus sind annähernd vollständig sulfatiert und die Methionin-Reste von HCII teilweise oxidiert. Die rekombinante Expression von humanem HCII in CHO-Zellen erzeugte ein Protein mit ebenfalls sulfatierten Tyrosin-Resten und drei überwiegend biantennären N-Glykanen vom komplexen Typ. Diese sind jedoch nicht peripher, sondern proximal fukosyliert und die terminalen Sialinsäuren ([alpha]2->3)-gebunden.
Anhand der untersuchten HCII-Varianten konnte ein Modell entworfen werden, das die Ursachen der relativ geringen Heparin-Affinität von humanem Plasma-HCII erklärt. Durch additive Effekte der posttranslationalen Modifikationen und durch intramolekulare Kompetition sinkt die Affinität der Glykosaminoglykan-Bindungsstelle.
Diese Ergebnisse führen zu einem besseren Verständnis der molekularen Struktur und allosterischen Dynamik von HCII.