Die Selbstbeschreibung einer Gesellschaft anhand ihrer je eigenen "Religion" ist ein globales Phänomen geworden. Der ursprünglich aus dem westlichen Kulturraum stammende Begriff der "Religion" gewinnt in verschiedener gesellschaftlicher Selbstbeschreibung jeweils einen kulturspezifischen Symbolwert. Die Entstehung des Symbolwerts der "Religion" in einer Gesellschaft ist nichts anderes als die Konstruktion eines entsprechenden, symbolisch vermittelten Sinnzusammenhanges, die als ein sozio-semiotischer Prozess verstanden werden kann. In diesem Zusammenhang beschäftigt sich diese Arbeit mit der zentralen Frage, wie die religiöse Struktur im Kontext der gesellschaftlichen Selbstbeschreibung in Taiwan konstruiert wird. Die gegenwärtige religiöse Konstruktion in Taiwan kann hauptsächlich anhand von drei entsprechenden institutionalisierenden Strukturen auf verschiedenen Ebenen aufgefasst werden, nämlich das religiöse Feld auf der Gesellschaftsebene, die einzelnen religiösen Institutionen auf der Mesoebene und das religiöse Selbst auf der Individualebene. Die Dynamik dieser verschiedenen strukturellen Identitätsbewährungen zeigen eine dynamische Gemeinsamkeit an: ihre strukturelle Identität ist jeweils durch eine habituelle Grundlage gewährleistet. Zugunsten der Darstellung einer kontrastiven Gegenüberstellung wird in der Arbeit je nach dem beschriebenen Kontext jeweils ein analoger Sachverhalt im Christentum als Bezugspunkt genommen, um zu zeigen, inwiefern die strukturelle Identität in der christlichen Institutionalisierung trotz ihrer zu Taiwan ähnlichen institutionellen Ausdrucksformen jeweils, anders als in Taiwan, durch eine dogmatische Grundlage gewährleistet wird. Die charakteristische Dynamik der christlichen Konstruktion gilt also in der Arbeit als ein kontrastiver Gegentypus zu der in Taiwan. Mit Hilfe von Peirces Terminologie werden die zwei Modi der Identitätsbewährung einer sozio-semiotischen Struktur jeweils als symbolische und indexikalische Dynamik bezeichnet. Das analytische Instrumentarium beruht weitgehend auf den Denkmitteln Pierre Bourdieus. Dabei wird der strukturierende Sinnzusammenhang als eine Tauschstruktur betrachtet, in der die Beziehungen zwischen den Akteuren symbolische Tauschverhältnisse, eine "praxeologische Ökonomie", darstellen. Durch die Analyse der Strukturierung der intermediären religiösen Institutionen, die als strukturelle Darstellungsformen der sozialen Praxis gelten, wird die Eigentümlichkeit der kulturspezifischen "Logik" der religiösen Praxis in Taiwan charakterisiert.