Unterschiedliche soziale Probleme werden von der Öffentlichkeit unterschiedlich wahrgenommen. So werden unterschiedliche soziale Probleme vergleichbaren Ausmaßes im einen Fall von der Öffentlichkeit als manifestes soziales Problem anerkannt, im anderen Fall bleiben sie latent. Die Öffentlichkeit ist das Forum, in dem jeden Tag von neuem entschieden wird, welche Anerkennung ein soziales Problem erfährt. Die vorliegende Arbeit untersucht die Strategien von drei südkoreanischen Tageszeitungen im Umgang mit Kriminalität durch statushohe Personen im Hinblick auf deren Fassung als manifestes soziales Problem.
Die meisten Inputs zu ihrer Meinungsbildung erhält die Öffentlichkeit über die Massenmedien. Diese sind geeignet, weite Teile der Öffentlichkeit mit Informationen zu versorgen. Die vorliegende Arbeit konzipiert Massenmedien als in Austauschbeziehungen mit ihrer Umwelt agierend und diskutiert ihre Rolle im Prozess der Herausbildung der öffentlichen Meinung. Sie reflektiert die Behandlung der "Kriminalität der Mächtigen" (KdM) durch die Massenmedien. Diese sind nie reine Verstärker. Vielmehr verfolgen sie ihrerseits Interessen. Die vorliegende Arbeit unterscheidet Massenmedien nach zwei Modellen: Das Dominanzmodell beschreibt den Idealtypus von Medien, die "eher wirtschaftliche Ziele verfolgen und sich eher an die institutionell verankerten Machtverhältnisse anpassen". Das pluralistische Modell beschreibt demgegenüber Medien, die "sich stärker publizistischen Idealen verpflichtet sehen und sich gegenüber den bestehenden Machtverhältnissen eher kritisch verhalten".
Die drei Zeitungen, die hier untersucht werden, werden anhand ihrer Berichterstattung über prominente Fälle von Kriminalität durch statushohe Täter untersucht. Die Taten, die das Material zur untersuchten Berichterstattung darstellen, werden nach einer eingehenden Diskussion der Literatur als "Kriminalität der Mächtigen" (KdM) gefasst. Entlang der beiden Idealtypen werden Hypothesen gebildet, die das publizistische Verhalten der Medien prognostizieren. Es folgt eine allgemeine Darstellung der Rolle der Massenmedien in ihrem Umgang mit der KdM. Die Hypothesen werden anschließend eingehend untersucht. Dabei bestätigen sich die Annahmen. Die Medien, die dem Dominanzmodell zugeordnet wurden, versuchen eher, Probleme der KdM herunterzuspielen, den Problemgehalt zu bezweifeln und die Öffentlichkeit vom tatsächlichen Problemkern abzulenken, während die untersuchte Zeitung des pluralistischen Modells die gegenteilige Position einnimmt.
Die vorliegende Untersuchung hat einen Aspekt der Entwicklung in Südkorea in entscheidenden Phasen des Umbruchs zum Gegenstand. Inwiefern ihre Ergebnisse auf andere Länder übertragbar sind, bedarf der weiteren Reflexion.