Die Jugendberufshilfe steht seit dem Beginn der Diskussion um den Wandel der Arbeitsgesellschaft vor einem Orientierungsdilemma (Galuske 1993) und wurde über die Jahrtausendwende hinweg vor diesem Hintergrund intensiv diskutiert. Die Frage Integration wohin? blieb jedoch weiterhin unbeantwortet. Die aktuellen Analysen arbeitsmarktpolitischer Entwicklungen zeigen, dass sich trotz diverser Visionen und Utopien hinsichtlich der Ausgestaltungen der Arbeitsgesellschaft keine Option abzeichnet, die auf eine Erweiterung des Verständnisses von Arbeit im Sinne einer gesellschaftlich anerkannten und vor allem existenzsichernden Alternative neben der Erwerbsarbeit hindeutet. In Zuge der strukturellen Veränderungen kann eine postindustriellen Arbeitslosigkeit nicht als Ausnahmesituation gedeutet werden. Erwerbsverläufe sind nicht zwangsläufig kontinuierlich, verlaufen ebenso nicht in selbstverständlicher Weise stabil und Erwerbsarbeit führt nicht automatisch zur Existenzsicherung. Diskontinuitäten werden so nicht nur im Längsschnitt der Erwerbsbiografie als erlebte Zeiten ohne Arbeit, sondern auch in Zeiten mit Arbeit in Form von prekären, kurzfristigen oder geringfügig bezahlten Beschäftigungen, erlebt. Diese Realität steht in einem deutlichen Widerspruch zur normativen Orientierung an Arbeit als Normalarbeitsverhältnis, an der sich nach wie vor sozialpolitische Interventionen in der Arbeitsgesellschaft ausrichten.Die deutliche Manifestierung des traditionellen Normalarbeitsverhältnisses als normativer Orientierungsrahmen für ein gesellschaftlich vermitteltes Lebenskonzept lässt den Schluss zu, vielmehr von einer retransformierten Arbeitsgesellschaft zu sprechen.
Wie die Ziel- und Wirkungsperspektiven der bisher weitestgehend auf Employability fokussierten Jugendberufshilfe aufgrund dieser Entwicklungen erweitert werden müssen, um so auch der Lebensrealität jener Jugendlichen entsprechen zu können, die am Arbeitsmarkt benachteiligt sind, stellt das Ziel der Arbeit dar. Im Verständnis des Capability Ansatzes wird in der Konsequenz dieser Arbeit eine erweiterte Zielperspektive, die auf die Ermöglichung eines guten Lebens abzielt, formuliert. Diese schließt die Perspektive Employability neben anderen durchaus mit ein, in ihrer programmatischen Wendung setzt sie jedoch an die konkreten Lebensräume und -chancen der Kinder und Jugendlichen an.
Im Teil I wird die Entwicklung der Arbeitsgesellschaft von der Antike bis hin zur Diskussion um die Krise des Normalarbeitsverhält-nisses in den 1990er Jahren skizziert. Fokussiert wird auf die Bedeutung, welche der Arbeit für die Ausgestaltung und Strukturierung sowohl für die Gesellschaft als auch für die individuelle Lebensperspektive zugeschrieben wird. Im Schluss dieses Kapitels werden aktuelle Antworten der Sozialpolitik zum Beginn des neuen Jahrtausends insbesondere auch die Entwicklungen der Jugendberufshilfe als Ausgangspunkt herausgearbeitet.
Welche Bedeutung das Konstrukt Arbeit für die Lebensphase Jugend darstellt, steht im Teil II im Zentrum. Hier wird die Lebensphase Jugend entlang einer theoretischen sowie diskursiven Perspektive betrachtet, um darauf aufbauend die forschungsleitende Fragestellung die Frage danach wie Jugendliche mit den Veränderungen am Arbeitsmarkt bei gleichzeitigem Festhalten am Normalarbeitsverhältnis als normative Kategorie für Integration in die Ausgestaltung ihrer Lebensentwürfe einbeziehen zu entwickeln.
Im empirischen Teil der Arbeit werden mittels eines qualitativen Forschungsdesigns (Teil III) die Lebensentwürfe von Jugendlichen mit unterschiedlichen Biografiemustern im Zugang zur Arbeit erhoben und durch eine qualitative Inhaltsanalyse, unter Rückbezug auf die von Reinders (2003) vorgelegte theoretisch-analytische Typologie Jugend zwischen Transition und Moratorium', im Teil IV zwei zentrale Ergebnisse ausformuliert:(1)Es besteht ein Zusammenhang vom Zugang zum Arbeitsmarkt und dem Umgang mit Diskontinuitäten und Zeiten von Erwerbslosigkeit sowie (2)das die Lebensentwürfe der Jugendlichen das Ergebnis einer Aushandlungsleistung zwischen dem gesellschaftlich vermittelten Lebenskonzept und ihrer konkreten Lebensrealität ist.
Im Teil V werden ausgehend von den zentralen Ergebnissen alternative Ziel- und Wirkungsperspektiven für die Arbeit mit benachteiligten Jugendlichen im Rahmen der Jugendberufshilfe formuliert, die im Anschluss an den Capabilities-Ansatz die Frage nach einem gelingenden guten Leben fokussieren. Unter Rückgriff auf die zentralen Dimensionen von Befähigung und Verwirklichung gelingt es so, Anforderungen für eine reflexive Betrachtung disziplinärer, professioneller sowie anwendungstheoretischer Entwicklungen zu formulieren, die insbesondere auch mit Blick auf benachteiligte Jugendliche die Frage nach den Bedingungen der Ermöglichung von Autonomie und Freiheit als zentrale Bezugsgrößen der Jugendberufshilfe thematisiert.