Menschen, die mit einer neurologischen Erkrankung konfrontiert werden, bezeichnen ihren unmittelbaren Zustand nach dem Ereignis oder der Diagnosestellung häufig als "Schock". Genauso empfinden diese Situation meist die Angehörigen. Die Familien sind plötzlich mit einer Vielzahl von Problemen konfrontiert, die einerseits rein mit der körperlichen Erkrankung, andererseits aber auch mit emotionalen, psychosozialen und häufig zusätzlich wirtschaftlichen Folgen der lebensverändernden Situation zu tun haben. Erstaunlich ist allerdings immer wieder, dass Familien im Erkrankungsverlauf völlig unterschiedlich mit der Diagnose, der Schwere der Erkrankung und den Erkrankungsfolgen umgehen und diese verarbeiten. Die vorliegende Untersuchung beschäftigt sich mit den möglichen psychologischen Ursachen für diese Unterschiede. Dazu wurden als zentrale Variable die subjektiven Überzeugungen der Kompetenz- und Kontrollüberzeugungen nach verschiedenen Formen von Hirnschädigungen und als weitere Variablen die wahrgenommene Soziale Unterstützung und die Formen des resultierenden Coping und des psychosozialen und emotionalen Outcome mittels Fragebögen erhoben. Einbezogen werden konnten Betroffene mit Schädel-Hirn-Verletzungen, cerebrovaskulären Erkrankungen und Hirntumoren, die bei Beendigung ihrer rehabilitativen Maßnahme in einer neurologischen Rehabilitationsklinik nach neuropsychologischer Testung und Betreuung durch die Autorin dieser Studie um ihre Mitarbeit gebeten wurden. In die Untersuchung gingen so auch neuropsychologische Testdaten, neurologische Daten und soziodemographische Variablen mit ein. Zusätzlich nahmen einige Angehörige an der Untersuchung teil. Mittels Clusteranalyse konnten im Ergebnis dann jeweils zwei voneinander abgrenzbare Personengruppen von Betroffenen und Angehörigen identifiziert werden, die entweder günstige oder ungünstige Kontrollüberzeugungsprofile zeigten. Die Cluster-Zugehörigkeit ergab einen statistisch signifikanten Einfluss auf weitere erhobene Variablen wie den Coping-Strategien und dem Outcome. Zwischen den neuropsychologischen Testdaten, den neurologischen Daten, den soziodemographischen Merkmalen und den jeweiligen Clustern zeigten sich dagegen keine grundlegenden Zusammenhänge. Es werden daraus Implikationen für eine frühzeitige Identifikation von Risikofaktoren für Fehladaptationen bei neurologischen Erkrankungen und eine Optimierung der psychologischen Intervention in einem möglichst frühen Stadium des Coping-Prozesses formuliert.