Neben den "klassischen" Substraten der Matrix Metalloproteinasen, also den Bestandteilen der Extrazellulären Matrix, kommen seit einiger Zeit auch Blutplasmaproteine in Frage. Inzwischen konnten MMPs auch in der Blutbahn bzw. in unmittelbarem Kontakt zu dieser nachgewiesen werden. Im Rahmen dieser Arbeit sollten verschiedene, durch MMPs induzierte Spaltungen von Blutplasmaproteinen näher untersucht werden, um letztlich ihre physiologische Relevanz abschätzen zu können.
Die Aktivierung des Prothrombins durch die MT1-MMP (MMP-14) konnte bereits durch anschließende Spaltung des synthetischen Thrombin-Substrates S-2238 von mir gezeigt werden. Spaltung und Aktivierung sollten nun näher charakterisiert werden. Es ergab sich die Frage, ob bei dieser Aktivierung ähnliche oder sogar die gleichen Intermediate wie bei der in vivo Aktivierung durch den Prothrombinase-Komplex gebildet werden und ob diese auch eine entsprechende Aktivität gegen makromolekulare Substrate aufweisen. Bei der Suche nach dem aktiven Fragment zeigte das durch die MT1-MMP und auch MMP-12 in vitro generierte Thrombin eine proteolytische Aktivität nicht nur gegen das chromogene Substrat S-2238, sondern auch gegen makromolekulare Substrate.
Im Verlauf der Arbeit konnten mehrere Spezies mit einer amidolytischen Aktivität gegenüber dem synthetischen Substrat identifiziert werden. Zum größten Teil handelt es sich hierbei um Intermediate, wie sie auch bei der Aktivierung in vivo auftreten. Die Separierung der einzelnen Fragmente gelang mittels HPLC-Ionenaustausch-Chromatographie (TSK-SP), gefolgt von "Reversed Phase"-HPLC an einer C18-Säule mit polarem "Endcapping".
Durch N-terminale Aminosäure-Sequenzierung konnte festgestellt werden, dass die Spaltung des Prothrombins durch die MT1-MMP und die sich daraus ergebende Aktivierung letztlich das [alpha]-Thrombin generiert, also dieselbe Spezies, die in vivo durch den Faktor X bzw. den Prothrombinase-Komplex gebildet wird. Weiterhin wurde auch die Aktivierung des Prothrombins durch die MMP-12 näher untersucht, hierbei konnten mittels N-terminaler Aminosäure-Sequenzierung weitere Aktivierungsprodukte identifiziert werden.
Weiterhin konnte die Degradierung des Hagemann-Faktors durch die MMP-12, die MMP-13 und die MT1-MMP charakterisiert werden. Anders als bei der MMP-induzierten Aktivierung des Prothrombins handelt es sich hierbei um einen Abbau, also eine irreversible Inaktivierung. Die N-terminale Aminosäure-Sequenzierung der entstehenden Fragmente ergab, dass der normale Aminoterminus der B-Kette des Faktors XIIa (V373-V-G-G-) durch jede der untersuchten MMPs entfernt wird. Da dessen Vorhandensein erst die Ausbildung einer spezifischen Salzbrücke unter Aktivierung ermöglicht und somit für die katalytische Aktivität essentiell ist, wurde nach seiner Abspaltung keine Aktivität mehr nachgewiesen. Eine Aktivierung des latenten Hagemann-Faktors durch seinen natürlichen Aktivator Kallikrein ist damit ebenfalls nicht mehr möglich.
Zum Nachweis der physiologischen Relevanz der gezeigten Aktivierung von Prothrombin durch MMPs wurden immunhistologische Untersuchungen an Gewebeschnitten von Krebspatienten durchgeführt. Mit Hilfe einer Immun-Doppelfärbung von MT1-MMP und Fibrin konnte eine deutliche Korrelation zwischen der Präsenz der MT1-MMP an der Oberfläche von Tumorzellen und der Ausbildung von Fibrin-Ablagerungen um Tumornester herum gezeigt werden.
Basierend auf der Proteolyse von Fibrinogen durch die MMP-8, die MMP-12, die MMP-13 und MT1-MMP wurde die Gerinnbarkeit von MMP-degradiertem Fibrinogen nach der Methode von Clauss untersucht. Es zeigte sich, dass durch die Abspaltung von Fibrinpolymerisationsstellen eine erhebliche Beeinträchtigung der Gerinnung erfolgt, und zwar bei allen untersuchten MMPs in vergleichbarem Ausmaß.