Die Nutzung des Internets ist scheinbar grenzenlos, dies suggeriert nicht nur die Namensgebung der Plattform (Worldwide Web), sondern wird auch deutlich, wenn man sich die Anwendungs- und Verwertungsmöglichkeiten des Mediums vor Augen führt. Ob als Werbe-, Kauf- oder Spielfläche, als Lern-, Kommunikations- oder Wissensraum, in allen Bereichen ist das Medium präsent. Wenngleich auch mit zeitlicher Verzögerung, werden die technologischen Entwicklungen des Internets nicht nur von Faszination und Euphorie, sondern an vielen Stellen auch kritisch und skeptisch begleitet. Nicht zuletzt die massenmediale Verbreitung rechtsextremen Gedankenguts hat dazu geführt, dass die Diskussion über das Internet verstärkt auch unter dem Blickwinkel einer problemorientierten Auseinandersetzung stattfindet. So mehren sich die Stimmen derer, die in Anbetracht dieser Entwicklungstendenzen ein schützendes Kontroll- und Regelwerk etabliert wissen möchten. Welche Instanz sollte aber diese Machtbefugnis inne haben? Nach welchen ethischen Standards und auf welcher gesetzlichen Grundlage sind die Urteile zu fällen? Welches international zu schaffende Gremium sollte mit diesen Aufgaben betraut werden? Ohne diese und ähnliche im Vorfeld zu bearbeitenden Konfliktfelder bleibt der Ruf nach Überwachung und Kontrolle darauf verwiesen, lediglich moralische Appelle zu formulieren, in der Hoffnung, dass die freiwillige Selbstkontrolle den ethischen Postulaten Folge leistet.
Beide Verfahren, sowohl die gesetzliche als auch die freiwillige Reglementierung, demontieren dabei aber ein wesentliches Moment des Internets, nämlich das des öffentlichen Widerstreits. Denn in dem Medium Internet liegt die Chance, demokratisches Handeln zu erreichen, und zwar dergestalt, dass sich in ihm Widerstand formieren kann. Widerstand nicht in dem Sinne, dass Ausschlussregeln (Kontrolle, Gesetze) festgelegt werden, sondern dass - so wie es LYOTARD fordert - der Öffentlichkeit der "freie Zugang zu den Speichern und Datenbanken" gewährt und erhalten wird. Die demokratische Lebensform im Internet wird davon abhängen, inwieweit gesellschaftlicher Pluralismus erhalten bleibt und inwieweit im freien Kräftespiel der beteiligten Akteure das vermeintlich Bessere (ethisch, politisch, ökonomisch) sich durchsetzen kann. Dabei wird der Wettstreit um die Durchsetzung der besseren Ideen, und das heißt, um die Macht im Medium Internet, nicht mehr mit physischer und im Kern auch nicht mehr mit wirtschaftlichen Mitteln ausgetragen, sondern mittels Zeichen. Damit wird derjenige Macht erlangen bzw. Konsens herstellen können, der den Kampf in der Semiotik gewinnt. Dies deutlich zu machen, zu begründen und im LYOTARDschen Sinne zu bezeugen, ist das Ziel der vorliegenden Arbeit. Den Erfolg fundamentalistischer Agitation vor dem Hintergrund der postmodernen Gesellschaft des Informationszeitalters zu beschreiben und zu analysieren sowie Aspekte möglicher Präventivmaßnahmen aufzuzeigen, muss deshalb bei der kritischen Analyse fundamentalistischer Zeichen im Internet ansetzen.