Um Einblicke in die Funktion der ADAMs als membranständige Proteasen zu erhalten, wurde im Rahmen dieser Arbeit exemplarisch ein potentiell katalytisch aktives ADAM näher untersucht. Hierzu wurde die katalytische Domäne des humanen ADAM 9 (Meltrin [gamma]) als Modellenzym, stellvertretend für das Gesamtenzym, rekombinant dargestellt, charakterisiert und das Vorkommen in Geweben in vivo untersucht.
Zu Beginn wurde die cDNA der ADAM 9 Metalloprotease-Domäne mit Propeptid durch reverse Transkription aus einer Prostatakarzinom-Zelllinie dargestellt. Weitere Klonierungsschritte lieferten Plasmide, die zur heterologen sekretorischen Proteinexpression im eukaryontischen Expressionssystem der methylotrophen Hefe Pichia pastoris eingesetzt wurden. Um bei den angestrebten Aktivitätsstudien zur Charakterisierung des Proteins eine verlässliche Kontrolle zur Verfügung zu haben, wurde zusätzlich durch zielgerichtete Mutagenese-PCR eine inaktive Variante der Metalloprotease-Domäne kloniert. Hierbei führte eine Basensubstitution zu einem Aminosäureaustausch im katalytischen Zentrum, bei dem Glutamat 348 durch Alanin ersetzt wurde. Nach Transformation der P. pastoris-Stämme X33, KM71 und GS115 konnten beide Varianten der ADAM 9 Metalloprotease-Domäne in P. pastoris exprimiert werden. Die Bestimmung der N-Termini der Expressionsprodukte mittels Edman-Abbau bestätigte eine intrazelluläre Prozessierung der Prodomäne durch eine Furin-ähnliche Protease unmittelbar nach der Pro-Protein-Konvertase Spaltstelle (RRRR 205 - A 206 VLPQTRYVE).
Die beiden Varianten aus P. pastoris wurden anschließend durch Ionenaustauschchromatographie und hydrophobe Interaktionschromatographie bis zur Homogenität gereinigt. Für Untersuchungen zur proteolytischen Aktivität der rekombinant dargestellten Proteine mittels Zymographie wurden humanes Plasmafibronektin, Gelatin und [beta]-Casein als Substrate eingesetzt. Dabei konnte im Fall der Wild-Typ Metalloprotease-Domäne aus P. pastoris erstmals katalytische Aktivität gegen alle drei Substrate nachgewiesen werden, wohingegen die mutierte Variante aus P. pastoris wie erwartet inaktiv war. Zusätzlich konnte Plasminogen als Substrat des rekombinanten ADAM 9 identifiziert werden.
Durch fluoreszenzkinetische Untersuchungen mit dem synthetischen fluorogenen TACE-Substrat konnte die proteolytische Akivität quantifiziert werden. Dabei berechnete sich die Spezifitätskonstante als k cat / K M zu 0,2 × 10³ M^-1 s^-1. Des weiteren diente die Spaltung des fluorogenen Mca-Peptids für qualitative Untersuchungen zur Wirkung verschiedener Inhibitoren auf die katalytische Aktivität von ADAM 9. Dabei wurde die katalytische Domäne durch den synthetischen Thiadiazin-Inhibitor JST-182 inhibiert, wogegen die natürlichen Metalloprotease-Inhibitoren TIMP-1 und -2 keine und TIMP-4 nur geringe Wirkung zeigten.
Die immunhistochemische Detektion von ADAM 9 mit polyklonalen anti-ADAM 9 Antikörpern in verschiedenen Geweben zeigte in Epithelzellen hauptsächlich ein intrazelluläres Expressionsmuster. In Tumorzellen des Mammakarzinoms sowie in Epithelien der Dickdarmschleimhaut und Endothelien der Gefäßwände des Dickdarms war eine cytoplasmatische Expression von ADAM 9 nachweisbar. Immunhistochemische Untersuchungen an Hodengewebe detektierten das Vorkommen von ADAM 9 in Leydig-Zellen. Des weiteren konnte eine vom Stadium der Spermatogenese abhängige Expression in samenbildenden Zellen der Hodenkanälchen festgestellt werden. Hierbei scheinen Spermatogonien ADAM 9 nicht zu exprimieren. Erst in weiter entwickelten Spermatozyten war eine intrazelluläre Expression von ADAM 9 detektierbar.
Ein räumlich begrenztes Expressionsmuster zeigte sich im Nierengewebe. Hier konnte in gesundem Gewebe eine intrazelluläre Lokalisierung in den Epithelien der proximalen Tubuli nachgewiesen werden, die auf diese Zellen beschränkt war. Hingegen konnte weder in den Endothelzellen innerhalb des Glomerulus noch in den Endothelzellen der Glomeruluskapsel ADAM 9 detektiert werden. Im malignen Nierenzellkarzinom erschien ADAM 9 dagegen ausschließlich auf der Zelloberfläche der entarteten Epithelien und nicht intrazellulär wie bei vergleichbaren benignen Epithelzellen.