In der koreanischen evangelischen Kirche, die erst seit knapp 100 Jahren existiert, kann ein erstaunliches zahlenmäßiges Wachstum innerhalb relativ kurzer Zeit beobachtet werden. Es besteht kein Zweifel darüber, dass die neopfingstlich-charismatische Bewegung, die insbesondere in den 1970er Jahren in Korea von der Pfingstkirche "Korean Assemblies of God"(KAG) ausging, eine zentrale Rolle bei dem zu konstatierenden Kirchenwachstum gespielt hat. Der Grund, weshalb die Pfingstkirche in Korea so erfolgreich war und ist, liegt in ihrem Verständnis des Heiligen Geistes. Die Besonderheit dieser Pneumatologie in Korea ist an folgenden mystischen Elementen erkennbar: Durch Gebete werden besondere Gefühle und Erfahrungen hervorgerufen.
Die Pneumatologie der Pfingstkirche steht in enger Beziehung zum Schamanismus, der wiederum fest in der koreanischen Gesellschaft und Mentalität verankert ist. Das Charakteristische am Schamanismus in Korea ist das Bemühen um gegenwärtiges Heil und die Abkehr vor der Realität. In diesen Punkten besitzen die Pfingstkirche und der Schamanismus viele Gemeinsamkeiten.
Zwischen 1960 und 1980 gründete noch eine weitere Lehre auf dem Heiligen Geist, die "Qi-Pneumatologie". Sie wurde in den radikalen reformierten Kirchen, die an der Demokratisierungsbewegung in den 1980er Jahren teilnahmen, vertreten. Das "Qi", die Idee einer "asiatischen Energie" und der "Schamanismus" sind relevante religiöse Phänomene, die in der koreanischen Tradition tief verwurzelt sind. Diese Qi-Pneumatologie setzt den Heiligen Geist und das asiatische Qi (Wind und Energie) gleich und nimmt dieselben Charakteristika des Qi (Lebenskraft und revolutionäre Vitalität) für den Heiligen Geist an.
Allerdings hat die Qi-Pneumatologie keine bedeutende Rolle in der koreanischen evangelischen Kirche gespielt und wurde infolgedessen von der konservativen Kirche, die eine Mehrheit in der koreanischen evangelischen Kirche bildete, kritisiert. Zudem haben die meisten Kirchen und Christen die Kernaussage der Qi-Pneumatologie vernachlässigt, weil einerseits bei den koreanischen Gemeindemitgliedern das Verständnis des Heiligen Geistes in der Pfingstkirche KAG nach der neopfingstlich-charismatischen Bewegung vorherrschte und andererseits die Qi-Pneumatologie ohne Bezug auf den materiellen und individuellen Segen war und zudem Kirche und Christen kein Interesse an der Teilnahme in politischen und gesellschaftlichen Bereichen hatten. Nichtsdestotrotz kann die Qi-Pneumatologie als eine neue Perspektive auf den Heiligen Geist in der Theologie und Kirche Koreas verstanden werden. Aus diesem Grund findet im Rahmen vorliegender Untersuchung eine Auseinandersetzung mit der Qi-Pneumatologie statt, um der Frage nachzugehen, ob diese Qi-Lehre bei der Entwicklung einer angemessenen Pneumatologie einbezogen werden kann.
Neue Pneumatologie für die koreanische Kirche sind Eine ganzheitliche Pneumatologie. Ganzheitlich bedeutet, dass die Seele nicht vom Körper getrennt betrachtet wird. Dasselbe gilt für das Individuum und die Gesellschaft und für den Menschen und die Welt. Das Wirken des Heiligen Geistes beschränkt sich nicht nur auf die Errettung des einzelnen Menschen, sondern umfasst auch die Rettung der Menschheit, der Gesellschaft und der Schöpfung.
Der Heilige Geist errettet nicht nur die Menschen, sondern auch die gesamte Schöpfung, um damit das Reich Gottes aufzubauen. Das Wirken des Heiligen Geistes für das Reich Gottes arbeitet für die Gerechtigkeit, die Befreiung, die Freiheit, der Frieden in der Welt und die Bewahrung und Rettung der Schöpfung.