Arginin ist eine semi-essentielle Aminosäure und aufgrund der vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten von großem wirtschaftlichem Interesse. In Corynebacterium glutamicum, einem industriell bedeutsamen Produzenten von Aminosäuren, gibt es ein Argininoperon, welches aus den Genen argCJBDFRGH besteht und dessen Transkription ausgehend von einem Promotor stromaufwärts von argC durch ein leaderless Transkript initiiert wird. Die Argininbiosynthese besteht aus insgesamt acht aufeinanderfolgenden enzymatischen Schritten, und beginnt mit der Acetylierung von Glutamat. Reguliert wird die Biosynthese zum einen durch den transkriptionellen Regulator ArgR, der als Repressor wirkt und u.a. im Promotorbereich von argC bindet, und zum anderen durch eine feedback Inhibition von ArgB, dem zweiten Enzym der Argininbiosynthese.
Durch Northern Blots sowie durch die RNAseq-Daten konnte ein zweiter Promotor verifiziert werden, der den Transkriptionsstart eines argGH-Suboperons kennzeichnet. Überdies zeigten die Northern Blots, dass es viele Prozessierungsstellen innerhalb des arg-Operons gibt, die wahrscheinlich durch Endoribonukleasen oder andere RNA-modifizierende Enzyme gespalten werden.
Die RNAseq-Daten offenbarten die Existenz einer bislang unbekannten antisense RNA (asRNA) gegenüber dem 5’ Ende von argC, die AsaC genannt wurde. Transkriptionelle Analysen mit einer ΔasaC Mutante zeigten, dass die Transkription von argC negativ durch die asRNA beeinflusst wird und dass der Wirkmechanismus von AsaC transkriptionelle Interferenz ist. Aus diesen Ergebnissen konnte die biologische Bedeutung von AsaC abgeleitet werden: AsaC fungiert als zusätzlicher transkriptioneller Regulationsmechanismus der Argininbiosynthese und inhibiert die zufälligen Transkriptionsinitiationen am argC-Promotor, zu denen es kommt, wenn die RNA-Polymerase trotz der Bindung von ArgR sporadischen Zugang zur Promotorregion erhält. Bei inaktivem ArgR wird die transkriptionelle Interferenz jedoch umgekehrt. Somit ist AsaC nicht das dominierende regulatorische Element, jedoch bewirkt es durch seine Funktion als transkriptioneller Rauschunterdrücker eine Energieeinsparung für die Zelle.
In einem weiteren Teil dieser Arbeit wurde die Argininbiosynthese von C. glutamicum mittels Metabolom-profiling von definierten Deletionmutanten, die die zu erwartenden korrespondierenden intrazellulären Metabolite anstauen sollten, analysiert. Die Ergebnisse der HPLC-ESI-qTOF-Messungen gaben einen detaillierten Einblick in den Argininmetabolismus, indem sechs von sieben Intermediaten der Argininbiosynthese detektiert werden konnten. Die Akkumulation von N-Acetylglutamat in allen Mutanten war dabei eine Bestätigung der bislang unbekannten NAGS-Aktivität, die für den ersten Schritt der Argininbiosynthese benötigt wird. Überdies konnte durch diese Ergebnisse herausgefunden werden, dass das von einer anderen Gruppe vorgeschlagene NAGS-Gen cg1722 nicht fähig ist, diese Reaktion auszuführen.
Aus anderen Organismen sind verschiedene Arten von NAGS-Genen bekannt, z.B. gibt es das “klassische” ArgA, das bifunktionelle ArgJ, ArgO und S-NAGS. Um das entsprechende Gen in C. glutamicum zu identifizieren, wurde eine genomische Bibliothek erzeugt und für die Komplementation einer E. coli ΔargA Mutante verwendet. Das komplementierende Plasmid enthielt einen Teil des Gens cg3035, dessen Protein eine Acetyltransferase-Domäne aufweist. Eingehende Untersuchungen zeigten, dass eine Deletion von cg3035 im C. glutamicum Genom zu einer partiellen Auxotrophie für Arginin führt. Weiterhin verifizierte eine heterologe Überexpression des kompletten Cg3035 in vivo dessen Fähigkeit eine E. coli ΔargA Mutante zu komplementieren und eine homologe Überexpression führte zu einer signifikanten Erhöhung des intrazellulären N-Acetylglutamatpools. Zusätzlich bestätigten Enzymassays dessen N-Acetylglutamat Synthase-Funktion in vitro. Die Aminosäure-Sequenz von Cg3035 besitzt jedoch keine Ähnlichkeit zu Mitgliedern bekannter NAGS-Genfamilien, so dass Cg3035 eine neue Klasse von NAGS-Genen etabliert. Da Vertreter dieser neuen Klasse nur in Bakterien der Unterordnung Corynebacterineae gefunden wurden, wird der Name C-NAGS (Corynebacterineae NAGS) für diese Familie empfohlen.