Der Umgang mit der technologisierten Welt verlangt heutzutage mehr vom Biologieunterricht als das reine Vermitteln von Fachwissen. Auch die Bildungsstandards für den mittleren Schulabschluss von 2004 fordern von Schülern nach der 10. Klasse die Kompetenz Bewertung, d.h. die Fähigkeit, begründet Stellung zu kontroversen biologischen Themen zu nehmen. Das Ziel der Schulbildung sollte daher u.a. die Erziehung zu einem mündigen Umgang mit biologisch bewertungsrelevanten Problematiken sein. Organspende ist ein Thema, das nicht erst seit Einführung der neuen Organspenderegelung 2012 eine informierte und selbstbestimmte Entscheidung erfordert. Ab 16 Jahren sollte jeder deutsche Bürger eine individuelle Entscheidung treffen, um zum einen die Diskrepanz zwischen verfügbaren und benötigten Spenderorganen zu verringern und zum anderen die Angehörigen und das Krankenhauspersonal durch den auf dem Organspendeausweis schrift-lich festgehaltenen Willen zu entlasten. Theoretische Ausgangsbasis für das vorliegende Projekt stellte eine Expertise im Auftrag der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) aus dem Jahr 2001 dar. Sie analysierte die internationale Literatur nach Gründen für den Organmangel und relevanten Variablen zur Beschreibung des Einstellungs-Verhaltens-Zusammenhangs bei Entscheidungen zum Thema Organspende und resultierte in einem theoretischen Modell zur individuellen Spendeentscheidung. Zwischen 1999 und 2012 zeigte sich in mehreren repräsentativen Bevölkerungsumfragen eine starke Diskrepanz zwischen positiver Einstellung auf der einen Seite und wenigen Organspendeausweisbesitzern (Verhalten) auf der anderen Seite (Attitude-Behaviour Gap). Auf Basis des BZgA-Modells wurden im vorliegenden Forschungsprojekt Unterrichtsinterventionen und Fragebogenskalen entwickelt und an Schülern der 11. Jahrgangsstufe erprobt. In Vor-, Nach- und Follow-Up-Test Designs wurden neben anderen Variablen Einstellung und Verhalten der Schüler erhoben. Der Unterricht konnte neutral informierend oder involvierend (Primär- und Sekundärerfahrungen) gestaltet sein. Der Unterricht zum Thema Organspende führte unabhängig von seiner Intensität zu einer Verringerung der Attitude-Behaviour Gap. Es zeigte sich, dass diese Verringerung bei den Personen auftrat, die schon vor der Intervention eine positivere Einstellung und eine höhere Verhaltensintention hatten. Im Rahmen der Interventionsstudien konnten zudem theoriekonforme, reliable, änderungssensitive und hinsichtlich des Verhaltens valide Fragebogenskalen entwickelt werden. Eine Analyse der neueren internationalen Literatur zum Einstellungs-Verhaltens-Zusammenhang ergab neue Ansatzpunkte für seine Beschreibung auf Basis der Theory of Planned Behaviour, die in der Kurzversion des entwickelten Fragebogens bereits Berücksichtigung finden. Zudem zeigte eine Teilstudie, die nach den 2012 aufgetretenen Organspendeskandalen durchgeführt wurde, einen hohen Anteil an Schülern, die auf dem Organspendeausweis einer Organentnahme widersprachen. Theoretische Überlegungen und der Literatur-Review führten zu dem weiterführenden Forschungsdesiderat, den Einstellungs-Verhaltens-Zusammenhang für Personen, die sich für oder gegen eine Organentnahme entscheiden, getrennt zu modellieren.