Hintergrund: Die meisten epidemiologischen Studien beschäftigen sich mit der Gesundheit von Migranten im Zielland ihrer Migration, ohne Erkenntnisse darüber zu haben, mit welchem Gesundheitszustand sie die Migration angetreten haben. Dadurch besteht in der Migrationsforschung eine bedeutsame Erkenntnislücke. Aus diesem Grund wird im Rahmen dieser Untersuchung die erste Phase der Migration – Intention zur Migration sowie auch die erfolgte Migration aus der gesundheits- und sozialwissenschaftlichen Perspektive untersucht. Damit soll ein Beitrag zum besseren Verständnis der Gesundheit von Migranten geleistet wer-den.
Methoden: Mittels einer prospektiven Längsschnittstudie mit zwei Datenerhebungen wurde die Assoziation zwischen den gesundheits- und sozialbezogenen Merkmalen und dem Migrationswunsch bzw. der erfolgten Migration untersucht. Es handelt sich dabei um eine Totalerhebung bei Jugendlichen aus zwei slowakischen Städten, Martin und Turčianske Teplice. Die Studienpopulation in der „Baseline“ Befragung besteht aus 986 slowakischen Schülerinnen und Schüler, in der Abschlussphase ihrer Mittelschule und 372 Jugendlichen in der „first Follow-up“ Befragung. Mithilfe der multinomialen logistischen Regressionsanalyse in der „Baseline“ Befragung und der binären logistischen Regressionsanalyse in der „first Follow-up“ Befragung wurde in den jeweiligen multivariablen Regressionsmodellen die Assoziation zwischen dem Migrationswunsch bzw. der erfolgten Migration und gleichzeitig mehreren unabhängigen Variablen untersucht. Mithilfe der Odds Ratio wurde das Chancenverhältnis der Zugehörigkeit zu einer Kategorie der abhängigen Variable in Assoziation zur unabhängigen Variable geschätzt.
Ergebnisse: Im Rahmen der multivariablen Regressionsanalyse der „Baseline“ Befragung wurden mehrere signifikante Assoziationen sichtbar. Bei den gesundheitsbezogenen Merkmalen besteht eine Assoziation zwischen der persönlichen Drogenerfahrung und dem Migrationswunsch. Demnach haben Schülerinnen und Schüler mit Drogenerfahrung gegenüber Schülerinnen und Schüler ohne Drogenerfahrung eine um das 2,26-fache signifikant höhere Chance eher der Gruppe mit Migrationswunsch anzugehören als der Gruppe ohne Migrationswunsch. Bei den sozialbezogenen Merkmalen lassen sich signifikante Assoziationen zwischen dem Geschlecht, dem Typ der Mittelschule und dem Beziehungsstatus der Befragten, der Bildung und Erwerbstätigkeit der Eltern sowie auch den ökonomischen und gesellschaftlichen „Push- und Pull-Faktoren der Migration“ und dem Migrationswunsch beobachten. In der multivariablen Regressionsanalyse der „first Follow-up“ Befragung wurden auch mehrere signifikante Assoziationen zwischen den untersuchten Merkmalen und der erfolgten Migration sichtbar. Von den gesundheitsbezogenen Merkmalen stehen der Alkoholkonsum und die „ungesunden“ Ernährungsweisen in einer Assoziation mit der erfolgten Migration: Mit steigendem Alkoholkonsum, steigt bei den slowakischen Jugendlichen signifikant die Chance zu migrieren. Mit steigen-den Maß an „ungesunden“ Ernährungsweisen sinkt wiederum bei den slowakischen Jugendlichen die Chance zu migrieren. Von den sozialbezogenen Merk-malen stehen lediglich die gesellschaftlichen „Push-Faktoren“ in Assoziation mit der erfolgten Migration von slowakischen Jugendlichen. Außerdem erweist sich der untersuchte Migrationswunsch als ein guter Indikator für die erfolgte Migration, anhand deren Rückschlüsse auf die erfolgte Migration getroffen werden kön-nen.
Fazit: Die Ergebnisse dieser Dissertation deuten allgemein darauf hin, dass die sozialbezogene Perspektive bei dem Vorhandensein des Migrationswunsches sowie auch bei der erfolgten Migration von slowakischen Jugendlichen die entscheidende Rolle spielt. Es sind vor allem die „Push- und Pull-Faktoren der Migration“ zusammen mit den ausgewählten individuellen Merkmalen und Familienmerkmalen, die für das Vorhandensein des Migrationswunsches bzw. die erfolgte Migration ausschlaggebend sind. Im Gegensatz dazu spielt die gesundheitsbezogene Perspektive bei den slowakischen Jugendlichen im Hinblick auf ihren Migrationswunsch bzw. die erfolgte Migration keine Schlüsselrolle. Die gesundheitliche Lage ist bei den Jugendlichen für das Vorhandensein des Migrationswunsches sowie auch für die erfolgte Migration nicht ausschlaggebend. Aber die vorhandenen Assoziationen deuten auf eine Verbindung zwischen Gesundheit und Migration hin. Die erhöhte Risikobereitschaft könnte hinter dieser Verbindung stehen und für das Vorhandensein des Migrationswunsches bzw. die erfolgte Migration ausschlaggebend sein.