Konflikte, die sich an religiös-kulturellen Unterscheidungen orientieren, sind viel diskutierte und wissenschaftlich hoch umstrittene Phänomene. Während der Ausdruck »Kalter Krieg« einen unbestreitbaren Sachverhalt bezeichnete, bleibt wissenschaftlich unklar, ob es den »Kampf der Kulturen« tatsächlich gibt.
Vor diesem Hintergrund ist es Ziel der Arbeit, die Strukturierungskraft des »Kampf der Kulturen« Schemas ernst zu nehmen, ohne die Distanz zu den Selbstbeschreibungen der Akteure zu verlieren. Die Über- oder Unterbewertung religiös-kultureller Konfliktfaktoren soll umgangen werden.
Die Arbeit beruht auf der soziologischen These, dass Konfliktwahrnehmungen das Potenzial zu globalen Strukturbildungen haben. Der »Kampf der Kulturen« kann als eine auf der Ebene der Weltgesellschaft etablierte Erwartungsstruktur beschrieben werden. Die Konfliktstruktur »Kampf der Kulturen« verknüpft Ereignisse auf unterschiedlichen Ebenen, verbindet Austragungsmodi und ein Publikum rund um den Globus.
Die Genese dieser Struktur lässt sich allerdings weder durch Kulturen, Interessen und Werte, sondern nur durch den Prozess ihrer Ausdifferenzierung erklären. In diesem Prozess haben sich Konfliktsemantiken und soziale Erwartungszusammenhänge soweit generalisiert, dass der »Kampf der Kulturen« zu einem weltweit anschlussfähigen Kommunikationszusammenhang geworden ist.
In mehreren Schritten werden die Bedingungen der Möglichkeit dieser globalen Strukturbildung für den Fall »Kampf der Kulturen« dargestellt, daraufhin werden Versuche der Deeskalation kritisch erörtert und mögliche Deeskalationspotenziale aufgezeigt.
Für dieses Unternehmen wird auf die systemtheoretische Konzeption von Weltgesellschaft zurückgegriffen. Dieses in der Sozialtheorie verankerte begriffliche Gerüst erlaubt es, gesellschaftstheoretische Konflikterklärungsansätze (Islam und Moderne) mit konflikttheoretischen Argumenten (Eigendynamik von Konflikten, soziale Bewegungen) zu kombinieren. Die theoretische Orientierung ermöglicht die Synthese und Weiterführung bislang eher unverbunden nebeneinander bestehender Argumentationsstränge.
Aus dieser Perspektive ergibt sich die aufeinander aufbauende Zweiteilung der Arbeit in einen gesellschaftstheoretischen und einen konflikttheoretischen Teil. Der erste Teil unternimmt eine theoretisch geleitete soziologische Lektüre vorwiegend islamwissenschaftlicher Texte. Der zweite Teil widmet sich einer konflikttheoretischen Leseweise der Geschichte islamischer Bewegungen. Vor diesem Hintergrund lassen sich dann die Ambivalenz des Religiösem im Bezug zu Konflikten und aktuelle Deeskalationsbemühungen analysieren.