Das Arbeitspapier ist ein erster Schritt zur Beantwortung der Frage, welche Effekte
Moscheebesuche bei Nicht-Muslimen zeigen. Der Islam hat in europäischen Gegenwartsgesellschaften ein Akzeptanzproblem. Muslime sehen sich einer ablehnenden
Haltung der Mehrheitsgesellschaften ausgesetzt. Deshalb versuchen Lehrer und
andere Akteure der Zivilgesellschaft, Nicht-Muslimen durch Moscheebesuche einen
Eindruck von islamischer Religionspraxis zu vermitteln. Dabei sollen Vorbehalte
abgebaut werden. Eine solche Wirkung ist im Sinne der sog. Kontakthypothese
denkbar. An vielfältigen Beispielen konnte die Forschung zeigen, dass sozialer Kontakt zwischen Individuen unterschiedlicher sozialer Gruppen wechselseitige Vorurteile reduziert. Das Arbeitspapier referiert zentrale Erkenntnisse der Kontaktforschung. Eine wichtiges Ergebnis ist, dass die größte Bedeutung engen persönlichen
Kontakten unter Statusgleichen zukommt, bei denen emotionale Prozesse aktiviert
werden.
Anhand von 123 im Internet veröffentlichten Berichten über Moscheebesuche wird
untersucht, inwiefern die gegenwärtige Praxis der Moscheebesuche die Voraussetzungen für Einstellungsänderungen erfüllt. Typische Besucher sind Schüler in den
Klassenstufen 5 bis 12, die im Rahmen einer Exkursion im Religionsunterricht vom
Imam einer Moschee oder von Gemeindevertretern empfangen werden. Die meisten
besuchten Moscheen gehören dem türkischen DITIB-Verband an. Moscheebesuche
folgen meist einem standardisierten Programm. Es umfasst eine Führung durch die
Räumlichkeiten der Moschee, einen Vortrag über den Islam sowie eine Diskussion
mit dem Imam. Die Besucher werden oft zum Abschluss bewirtet.
Ein Zwiespalt zeichnet sich ab. Auf der einen Seite beschreiben die Besucher die
große Gastfreundschaft, Freundlichkeit und Geduld der Gastgeber. Auf der anderen
Seite ist nicht ersichtlich, wie diejenigen Elemente des Kontakts ausgeprägt sind, die
von der sozialpsychologischen Forschung als vorurteilsmindernd angesehen werden. Ein Kontakt mit Personen eines vergleichbaren Alters und sozialen Status wird
in keinem Bericht beschrieben. Es wird lediglich eine kognitive Auseinandersetzung
mit dem Islam erkennbar. Ferner setzen sich viele Berichte mit Elementen des Islam
auseinander, die geeignet sind, seine Andersartigkeit, vielleicht sogar seine Unvereinbarkeit mit der weltlichen Umgebung hervorzuheben. Dazu gehören die als Ungleichbehandlung wahrgenommene Separation der Geschlechter und die rigide
Orthopraxie. Der Islam wird nicht selten von Geistlichen vertreten, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind. Deshalb muss ein erstes Fazit vorsichtige Zweifel
daran formulieren, ob die bei Moscheebesuchen übliche Selbstdarstellung des Islam
dem Verständnis dienlich ist.