Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler (NW) an deutschen Universitäten gehen vielfältigen Tätigkeiten in Forschung und Lehre nach. Aufgrund eines bestehenden ‚Qualifikationsparadoxes‘ (Enders & Teichler 1995) erfolgt die Aneignung der dafür erforderlichen Kompetenzen zumeist über einen nicht formalisierten Prozess, der mit ‚learning by doing‘ beschrieben werden kann. Sie arbeiten mit einem hohen Maß an Autonomie, gelten aber lange – bis zur Professur – als wissenschaftlicher Nachwuchs. Aufgrund eines aktuellen Wandels im Wissenschaftssystem sehen sich NW heute mit einem zunehmenden Wettbewerb, insbesondere in der karriererelevanten Forschung, sowie mit gestiegenen Anforderungen, insbesondere in der öffentlich aufgewerteten Lehre, konfrontiert. Sie sind dadurch in ihrem Arbeitsalltag fortlaufend gefordert den Verlauf ihrer Karriere selbst zu organisieren sowie ihre damit zusammenhängenden Ziele selbständig zu setzen und zu verfolgen. Typische Ziele dafür sind das Verfassen und Publizieren wissenschaftlicher Texte oder die Vorbereitung und das Halten einer Lehrveranstaltung.
Da NW neben ihrer Forschungstätigkeit parallel auch in der Lehre und/oder weiteren Tätigkeiten eingebunden sind, ist zu erwarten, dass sie Konflikte hinsichtlich gleichzeitig auftretender Ziele erleben. Ein Zielkonflikt ist gegeben, wenn das Verfolgen eines Ziels das Verfolgen eines anderen Ziels beeinträchtigt (Austin & Vancouver 1996). Es werden verschiedene Formen von Zielkonflikten unterschieden. So entstehen beispielsweise Konflikte, wenn mehrere voneinander unabhängige Ziele gleichzeitig verfolgt werden sollen und dieselben begrenzten Ressourcen (z.B. Zeit, Geld) erfordern oder durch sich widersprechende Zielgrößen, wenn möglichst viel in möglichst hoher Qualität produziert werden soll (Slocum, Cron & Brown 2002). Die empirische Befundlage zu Zielkonflikten zeigt, dass diese oftmals mit negativen Auswirkungen einhergehen, die durch Belastungen verursacht werden.
Weil im Rahmen der Bologna-Reform die Lehre aufgewertet wurde, sehen sich Lehrende mit gestiegenen Anforderungen in der Lehre konfrontiert, obwohl sie in der Bedeut-samkeit für eine wissenschaftliche Karriere hinter der der Forschung zurück bleibt. Die Qualität von Lehrleistungen kann bislang nicht zuverlässig und flächendeckend auf individueller Ebene gemessen werden (Fitting, Horn, Lorson & Wigger 2013), wodurch der Lehrmotivation als zentraler Indikator für die individuelle Lehrleistung eine tragende Rolle zukommt. So geht die Selbstbestimmungstheorie der Motivation (Deci & Ryan 2002) davon aus, dass selbstbe-stimmt motiviertes Verhalten mit höherem Wohlbefinden, höherer Persistenz und besserer Leistung einhergeht. Grundvoraussetzung für selbstbestimmte Motivation ist eine ausreichende Befriedigung der Grundbedürfnisse nach Autonomie- und Kompetenzerleben sowie sozialer Eingebundenheit.
Ziel der vorliegenden Arbeiten ist es zu untersuchen, inwiefern die gegenwärtigen Rahmenbedingungen an deutschen Universitäten speziell die Arbeit von NW beeinflussen. Im Kern werden die Belastung durch und das Auftreten von Zielkonflikten sowie qualitativ unterschiedliche Formen fremd- und selbstbestimmter Lehrmotivation in vier aufeinander aufbauenden Artikeln analysiert. In Studie 1 wird zunächst deskriptiv das Auftreten von Zielkonflikten untersucht und durch Daten zu zeitlichen Aspekten des Arbeitsalltages von NW ergänzt. Studie 2 geht schwerpunktmäßig neben der Untersuchung der Lehrmotivation der Frage nach, welche Einstellungen zur Bologna-Reform und zu Innovationen in der Lehre bestehen. Die dritte Studie erweitert die bestehenden Perspektiven, indem sie Rahmenbedingungen zur Lehrmotivation, Strategien im Umgang mit Zielkonflikten sowie das Erleben förderlicher Zielbeziehungen erfasst. Auf den theoretische Annahmen der Selbstbestimmungstheorie wie auch den vorangegangenen Ergebnissen aufbauend, werden in Studie 4 schließlich die Zusammenhänge der Befriedigung der Grundbedürfnisse nach Autonomie- und Kompetenzerleben sowie sozialer Eingebundenheit mit Zielkonflikten und Lehrmotivation analysiert. Berücksichtigt werden muss, dass querschnittlich erfasste Daten vorliegen, die keine statistisch geprüften Kausalschlüsse ermöglichen.
Die vorgelegten Studien zeigen anhand quantitativer und qualitativer Daten, dass im direkten Vergleich zwar der Forschung eine höhere Gewichtung beigemessen wird und die Einstellungen zu einer Aufwertung der Lehre eher skeptisch ausfallen, NW aber ihre Lehre mit hoher selbstbestimmter Motivation und einem hohen Anspruch an die Qualität verfolgen. Aus ihren Lehr- und Forschungs- sowie aus weiteren ‚sonstigen‘ Zielen, die zeitliche Ressourcen zur Zielverfolgung beanspruchen, resultieren Zielkonflikte. Zielkonflikte werden häufig und von der Mehrheit der NW als belastend erlebt. Wenn ein Forschungs- und ein Lehrziel genannt werden, sind sie besonders belastend, gehen aber auch mit einer höheren selbstbestimmten Lehrmotivation einher.
Das Erleben von Zielkonflikten wie auch die Motivation zu lehren werden durch Rahmenbedingungen, die in unterschiedlichem Ausmaß eine Befriedigung der drei Grundbedürfnisse nach Autonomieerleben, Kompetenzerleben und sozialer Eingebundenheit ermöglichen, beeinflusst. Zielkonflikte werden weniger belastend erlebt, wenn alle drei Grundbedürfnisse befriedigt sind. Personen, die ein geringeres Autonomieerleben berichteten, erlebten häufiger Zielkonflikte. Gestaltungsspielräume bei Lehrinhalten und Veranstaltungsformaten, die das Erleben von Autonomie ermöglichen, scheinen förderlich für eine selbstbestimmte Lehrmotivation. Ein generelles Kompetenzerleben erweist sich als förderlich für selbstbestimmte Formen der Lehrmotivation. Neben dem Austausch im Kollegenkreis berichten NW, dass die Interaktion mit Studierenden zu erlebter sozialer Eingebundenheit führt und durch das Vermitteln von Wissen in der Lehre Kompetenz erlebt wird.
NW nutzen verschiedene Strategien, um auf Zielkonflikte zu reagieren oder ihr Auftreten zu vermeiden. Situationen, in denen Zielkonflikte evident werden, werden versucht zu umgehen, indem mehr Zeit für Arbeit aufgebracht wird oder Forschung in die Freizeit verlegt wird. Es zeigt sich trotz der Belastung und eigentlicher Priorisierung von Forschung aus karrierestrategischen Gründen bei den interviewten NW keine Bereitschaft den eigenen Anspruch an die Qualität der Lehre zu senken. Darüber hinaus können auch Synergieeffekte zwischen Lehre und Forschung entstehen, wenn sich Inhalte zwischen beiden Feldern überlappen.
Auf Basis der Ergebnisse werden neu entstandene Forschungsdesiderate benannt und es wird diskutiert, welche Handlungsbedarfe sich aufgrund der strukturellen Bedingtheit von Zielkonflikten und den bestehenden Interdependenzen zwischen den Teilbereichen Forschung und Lehre ergeben. In Form von praktischen Implikationen werden abschließend Veränderungen für das Wissenschaftssystem und die Universität als Organisation vorgeschlagen.