Die 1840er Jahre in Bayern und Preußen waren geprägt von Hungerunruhen, food riots und Bierkrawalle sowie die sich daran anschließenden Revolutionen. Was geschah, als nach einer kurzen Ruhephase die Lebensmittelpreise wieder stiegen und sich zwischen 1851 und 1856 auf ähnlich hohem Niveau wie 1846/7 hielten? Nun, dieses Mal protestierte fast niemand. Was hatte sich verändert? Ein wesentlicher Unterschied wird in diesem Buch in den Blick genommen: Ganz anders als im Vormärz reagierten die Behörden extensiv und in einer neuen Weise auf diese Teuerungsereignisse. In der ersten Jahrhunderthälfte hatte paternalistische Fürsorge dominiert, die mit der moralischen Ökonomie der unteren Schichten korrespondierte. Nun entwickelten sich neue, von der politischen Ökonomie geprägte Sichtweisen auf die Teuerung. Diese ließen einerseits die freien Märkte unangetastet und andererseits setzten sie das Problem der hohen Lebensmittelpreise und ihre Folgen für die Bevölkerung in eine neue Verwaltungspraxis um. Diese Veränderungen sind Indikatoren und Faktoren der Transformationen der öffentlichen Ordnungen. Die geschaffenen Machtstrukturen prägen in Teilen bis heute unsere öffentlichen Verwaltungen.
Diese Makrogeschichte wird erzählt über eine Vielfalt von Mikrogeschichten: Es geht unter anderem um politisches Bier in München und politische Kartoffeln in Berlin, renitentes Verhalten in der Niederlausitz und Schadensersatz bei Tumulten, Soldaten und Polizisten im Protestmilieu und auf den Märkten, Spekulationen an der Getreidebörse, Branntweinfragen und Armenfürsorge allerorten und Brotgewichte und Mehlmischungen in Unterfranken. Anhand der Wahrnehmung und Bearbeitung dieser Fälle lässt sich nachvollziehen, wie Ministerien, Mittelbehörden und lokale Obrigkeiten in ständigen Kommunikationsprozessen neue Sichtweisen und Praktiken entwickelten, testeten, verwarfen, korrigierten und implementierten. Dreh- und Angelpunkte waren die Versuche, neuerliche Protesten zu verhindern, die „Stimmung der Bevölkerung“ zu beeinflussen und ein neues gemeinsames, aber nicht statisches Krisenmanagement für die Folgen von Teuerung und Not zu entwickeln. Anhand dessen wird gezeigt, wie sich in Bayern und Preußen die Logiken der Macht- und Gewaltausübung transformierten und die vermeintliche Reaktionsära auch als eine Zeit beschleunigten Wandels in Verwaltungen und Politik betrachtet werden kann.