**HINTERGRUND**: Stress ist ein Risikofaktor für die Gesundheit und kann somit zur Entstehung gesundheitlicher Ungleichheiten in der Bevölkerung beitragen. Insbesondere Stress in der Phase der Schwangerschaft ist von großer Bedeutung, da er die Schwangerschafts- und Säuglingsgesundheit prägt. Viele Studien konzentrieren sich auf die Folgen durch Stress in der Schwangerschaft, nicht aber auf dessen Ursachen und Determinanten. Ziel dieses Forschungsvorhabens war es, die Bedeutung von subjektivem Stress in der Schwangerschaft abzubilden und Determinanten für das Stressempfinden zu identifizieren. <br /><br />
**DESIGN**: Es erfolgte eine Auswertung von Baseline-Daten der sozialepidemiologischen Geburtskohorte zur „Gesundheit von Babys und Kindern in Bielefeld“ (BaBi-Studie). Dabei wurden Befragungsdaten von Schwangeren und Wöchnerinnen aus dem Erhebungszeitraum vom 09.10.2013 - 04.01.2016 analysiert. <br /><br />
**METHODE**: Akuter Stress wurde durch das Auftreten stressvoller Lebensereignisse in der Phase der Schwangerschaft erhoben. Chronischer Stress umfasste Parameter wie das Stressempfinden zu Hause oder auf der Arbeit. Es erfolgten uni-, bi- und multivariate Auswertungsstrategien für akutes und chronisches Stressempfinden. In der univariaten Analyse wurde die Prävalenz von akutem und chronischem Stress abgebildet. Die bivariaten und multivariaten Analysen dienten der Identifikation von Determinanten für Stress. Die (inter-)nationale Literaturübersicht beschreibt den Migrationshintergrund, den sozio-ökonomischen Status (SES), Persönlichkeitsmerkmale sowie soziale, gesundheitliche und schwangerschaftsspezifische Faktoren als mögliche Einflussfaktoren für akuten und chronischen Stress. <br /><br />
**ERGEBNISSE**: Die Auswertung umfasste die Daten von 598 Teilnehmerinnen der BaBi-Studie. Die univariate Analyse der Daten ergab eine Prävalenz von 39,0% für akuten Stress und 34,6% für chronischen Stress. Schwangerschaftsängste erwiesen sich in allen Analysen als signifikanter Einflussfaktor für akuten und chronischen Stress. Akuter Stress war in der bivariaten Analyse darüber hinaus assoziiert mit geringer Unterstützung durch den Partner, niedriger Partnerschaftsqualität, dem Vorliegen psychischer Erkrankungen sowie gesundheitsschädigender Verhaltensweisen. Chronischer Stress stand in der bivariaten Analyse hingegen in Zusammenhang mit Persönlichkeitsmerkmalen wie Neurotizismus, Gewissenhaftigkeit, externaler Kontrollüberzeugung und geringen Werten in Verträglichkeit. Außerdem wirkten sich eine geringere Unterstützung durch den Partner, Multimorbidität und gesundheitsschädigende Verhaltensweisen auf chronischen Stress aus. Ein Migrationshintergrund war in der bi- und multivariaten Analyse kein eigenständiger Einflussfaktor für Stress. Es zeigten sich aber in der stratifizierten Analyse unterschiedliche Einflussfaktoren auf das Stressempfinden bei Teilnehmerinnen mit und ohne Migrationshintergrund. So erwies sich bei den Migrantinnen ein niedriger SES als protektiv. Die Modellgüte war bei den Migrantinnen für akuten Stress (R² = 0,3) und chronischen Stress (R² = 0,5) höher als bei als bei den Nicht-Migrantinnen (R²akut = 0,3; R²chronisch = 0,2). Die nicht-stratifizierten multivariaten Modelle hatten mit R² = 0,2 sowohl für akuten als auch für chronischen Stress eine akzeptable Modellgüte. <br /><br />
**DISKUSSION**: Mehr als ein Drittel aller befragten Frauen litt während der Schwangerschaft unter Stress. Als zusammenhängend mit dem akuten und chronischen Stresserleben konnten Schwangerschaftsängste sowie eine geringe Unterstützung in der Partnerschaft identifiziert werden. Entgegen der Vermutungen in der Literatur erwiesen sich Migrationshintergrund und SES nicht als Einflussfaktoren für Stress. Überraschenderweise unterschieden sich jedoch die stressassoziierten Determinanten zwischen Teilnehmerinnen mit und ohne Migrationshintergrund. Es bedarf weiterer Forschung, um die gefundenen Zusammenhänge besser zu verstehen und weitere Determinanten zu identifizieren.