"Das Internet wird zunehmend als Distributions- und Rezeptionskanal für Inhalte der Massenmedien wichtig. Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich der Beitrag mit der von publizistischen Organisationen betriebenen Praxis der Online-Publikumsmessung. Während die umfassende Verdatung von User-Aktivitäten und -Interessen in den meisten (sozialwissenschaftlichen) Kommentaren bisher vornehmlich kritisch betrachtet wird, lässt sich auf Grundlage von Expert/inneninterviews mit Vertreter/innen verschiedener Medienorganisationen ein differenzierteres Bild der Publikumsvermessung im Internet zeichnen. So führt erstens der Ausbau der Verdatungs- und Analysemöglichkeiten nicht automatisch zum 'gläsernen User', sondern bringt heterogene und teils widersprüchliche Datenmengen hervor, deren Bearbeitung höchst voraussetzungsvoll und offen für verschiedene Interpretationen ist. Zweitens führt die umfassende Publikumsvermessung auch nicht automatisch zu einer immer stärkeren Publikumsorientierung des Journalismus. Denn obwohl Nutzungsdaten zweifellos wichtiger für Auswahl und Gestaltung der Angebote werden, werden traditionelle journalistische Qualitätskriterien nicht einfach aufgegeben. Stattdessen stehen Publikumsorientierung und journalistisches Selbstverständnis in redaktionsinternen Abläufen und Entscheidungen in einem komplexen Wechselverhältnis und werden aufeinander abgestimmt. Drittens muss die umfassende Verdatung des Publikums und seiner Aktivitäten auch nicht zwangsläufig zur Auflösung zuvor weitgehend homogener massenmedialer Publika führen. So können die Verdatungsmöglichkeiten im Gegenteil auch dazu dienen, möglichst große Teilpublika zu erreichen oder neuartige Räume für wechselseitige Beobachtungen und somit auch für neue Formen der Öffentlichkeit zu eröffnen." (Autorenreferat)