Psychische Beschwerden und Erkrankungen gelten als häufige Komorbiditäten von Epilepsien. Neben den etablierten psychischen Störungsbildern wird zusätzlich die Existenz epilepsiespezifischer Psychopathologien diskutiert. Als potentiell ursächliche Faktoren für die hohe psychische Belastung von Menschen mit Epilepsien wurden bislang vor allem epilepsiebezogene Faktoren untersucht. In der Allgemeinbevölkerung sind frühe belastende Lebenserfahrungen gesicherte Risikofaktoren für die spätere Entwicklung psychischer Störungen. Es gibt bislang kaum Erkenntnisse darüber, in welchem Ausmaß Menschen mit Epilepsien von frühen belastenden Lebenserfahrungen betroffen sind und ob diese mit ihrer aktuellen psychischen Belastung zusammenhängen. In jüngeren Forschungsarbeiten wird diskutiert, ob frühe belastende Lebenserfahrungen möglicherweise auch eine Rolle bei der Entstehung von Epilepsien spielen. In der vorliegenden Arbeit wurde eine heterogene Stichprobe von 125 Epilepsiepatienten mittels einer umfangreichen psychopathologischen Diagnostik hinsichtlich psychischer Symptome und Störungen, epilepsiespezifischer Psychopathologien und früher belastender Lebenserfahrungen untersucht. Im Vergleich mit der Allgemeinbevölkerung zeigten die Epilepsiepatienten eine deutlich erhöhte Rate psychischer Störungen. Sie berichteten im Vergleich mit der Allgemeinbevölkerung zudem von mehr belastenden sexuellen, emotionalen und sozialen Erfahrungen in ihrer Kindheit und Jugend. Es konnte gezeigt werden, dass frühe belastende Lebenserfahrungen, unabhängig von epilepsiebezogenen Merkmalen, einen bedeutsamen Vorhersagewert für das Vorliegen einer komorbiden psychischen Symptomatik bei Epilepsien haben. Die von anderen Autoren postulierten epilepsiespezifischen Psychopathologien „anfallsassoziierte Posttraumatische Belastungsstörung“ und „Interiktale Dysphorische Störung“ ließen sich nur bei sehr wenigen Patienten nachweisen. Die wechselseitigen Beziehungen zwischen Epilepsien, psychischen Störungen und frühen belastenden Lebenserfahrungen werden näher beleuchtet und Empfehlungen für Forschung und Praxis abgeleitet.